Commerzbank:Gelbe Geheimnisse

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Dubiose Aktiendeals: Auch die Commerzbank soll den Fiskus geschädigt haben. Das Institut hat lange geschwiegen, jetzt kommt Licht ins Dunkel.

Von Lena Kampf und Klaus Ott, Berlin/München

Für den Millionen-Prozess, den die Commerzbank gegen den Fiskus betreibt, gibt es noch keinen Termin. Verhandelt wird frühestens im Februar. Aber ein Ergebnis steht schon fest. Das Verfahren, das sich um dubiose Aktiengeschäfte mit Namen Cum-Ex dreht, findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das hat die Commerzbank beantragt. Diesem Wunsch muss das Hessische Finanzgericht in Kassel nachkommen. Die Geheimniskrämerei des Geldinstituts geht sogar so weit, dass die Bank nicht einmal sagen will, warum überhaupt geheim verhandelt werden soll. Und das bei einem Institut, das sich teilweise im Staatsbesitz befindet und nun mit seinem Eigentümer streitet.

Die Commerzbank und die von ihr vor Jahren übernommene Dresdner Bank haben offenbar bei Börsendeals mitgemacht, die inzwischen einen Untersuchungsausschuss im Bundestag beschäftigten. Beim Handel von Aktien mit (Cum) und ohne (Ex) Dividende soll der deutsche Fiskus von zahlreichen Finanzinstituten und Kapitalanlagefonds aus dem In- und Ausland um mehr als zehn Milliarden Euro betrogen worden sein. Indem sich die Cum-Ex-Akteure eine auf die Dividendenerlöse einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrmals erstatten ließen. Mit dabei waren angeblich auch die Commerzbank und die Dresdner Bank. Sie könnten bis zu 165 Millionen Euro zu Unrecht als Steuererstattungen vom Staat kassiert haben. Um einen Teil davon wird in Kassel prozessiert.

Wie sich das Geldinstitut mit dem gelben Band als Markenzeichen in den vergangenen Jahren in dieser Causa verhalten hat, will nicht so recht zu den eigenen Ansprüchen passen. "Wir richten unser Handeln an höchsten ethischen Werten, Integrität und Fairness aus", behauptet die Commerzbank von sich. Doch im Falle Cum-Ex hat das Institut jahrelang abgewiegelt; hat Presseanfragen nicht oder ausweichend beantwortet; hat versucht, sich still und leise aus der Affäre zu ziehen. Erst als der Druck der Ermittler zu groß wurde, ging die gelbe Bank intern allen Verdachtsmomenten konsequent nach. Und erst jetzt, im Bundestag, stand die Bank öffentlich umfassend Rede und Antwort. Das soll es dann aber mit der Transparenz auch schon wieder gewesen sein.

Der parlamentarische Untersuchungsausschuss, der die Cum-Ex-Deals aufklären will, hatte kürzlich zwei Commerzbank-Manager als Zeugen geladen. Den Bereichsleiter Steuern und einen Verantwortlichen für das Aktiengeschäft. Vom Bereichsleiter Steuern ließ sich der Ausschuss erklären, was bei der im Jahre 2008 von der Commerzbank übernommenen Dresdner Bank gelaufen war. Die Finanzbehörden hatten sich von 2009 an, also nach dieser Übernahme, frühere Cum-Ex-Deals der Dresdner Bank genauer angeschaut. Nach längerer Prüfung verlangte der Fiskus schließlich, im Jahre 2011, insgesamt 113 Millionen Euro an Steuererstattungen aus den Jahren 2004 bis 2008 zurück. Nunmehr von der Commerzbank, in der die Dresdner Bank schließlich aufgegangen war.

Die Bank mit dem gelben Band zahlte schließlich, aber unfreiwillig. Das viele Geld hätte man in Frankfurt, dem Sitz des Instituts, gerne wieder zurück. Der Vorstand beschloss 2014, gegen den Bescheid des Fiskus zu klagen. Was beim Hessischen Finanzgericht in Kassel geschah. Dort wird nun um Cum-Ex-Deals im Jahr 2008 und die damaligen Steuererstattungen in Höhe von 75 Millionen Euro gestritten. Die Commerzbank will "Rechtsklarheit" haben; vermutlich für den ganzen Betrag, der bei der Dresdner Bank angefallen war, also 113 Millionen Euro.

Die Commerzbank hatte frühere Anfragen der SZ zu Cum-Ex-Deals des Dresdner Bank mit dem Hinweis beantwortet, man habe nach der Übernahme dieses Instituts dort mögliche Transaktionen dieser Art bereits Anfang 2009 eingestellt. Was der Fiskus gefunden hatte, und dass die Behörden 113 Millionen Euro zurückverlangt und auch bekommen hatten, verschwieg das Institut. Zu eigenen Cum-Ex-Deals äußerte sich die Commerzbank erst 2016 so richtig. Mit der Aussage, man habe Ende 2015 dazu intern eine "freiwillige Untersuchung" eingeleitet. Wirklich freiwillig?

Am 4. November 2015 hatte sich Vorstand Stephan Engels per Mail besorgt bei seinem Steuer-Chef erkundigt. "Haben wir in der Commerzbank Cum/Ex-Deals gemacht", die zu unberechtigten Steuererstattungen geführt hätten? Der Anlass für diese Frage: Der Fiskus in Nordrhein-Westfalen kaufte damals von einem Insider gerade eine CD mit vertraulichen Cum-Ex-Daten vieler Banken. Als Vorstand Engels bald darauf intern noch den Hinweis bekam, unrichtige Steuerangaben könnten mit Gefängnis bestraft werden, war Eile angesagt. Er bitte darum, notierte Engels am 14. Dezember 2015, die zuvor besprochene Cum-Ex-Untersuchung "schnellstmöglich" zu starten.

Das vorläufige Ergebnis: Die Commerzbank könnte bis zu 52 Millionen Euro zu Unrecht vom Fiskus kassiert haben. Das wären dann aber nur Einzelfälle gewesen, sagt die Bank heute dazu. "Es gab kein Geschäftsmodell Cum-Ex." Man kooperiere mit den Behörden. Demnächst in Kassel ist dann wieder alles geheim.

© SZ vom 14.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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