Commerzbank:Alarmstufe gelb

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Es wird immer klarer, dass Martin Blessing (links) seinem Nachfolger Martin Zielke ein stabiles, aber auch gelähmtes Institut übergeben hat. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Das Krisen-Image hatte sie gerade erfolgreich abgelegt, doch jetzt brechen der Commerzbank die Erträge weg. Mitarbeiter fürchten um Arbeitsplätze.

Von Heinz-Roger Dohms und Meike Schreiber, Hamburg/Frankfurt

Es war der perfekte Abgang. Als sich Martin Blessing im Frühjahr nach acht Jahren von der Commerzbank-Spitze zurückzog, da schien es, als sei das zweitgrößte deutsche Geldinstitut tatsächlich auf dem Weg der Besserung. Die Kapitalreserven? Hoch wie nie. Der Gewinn? Endlich wieder jenseits der Milliardenschwelle. Die Aktionäre? Fast schon beglückt, weil sie erstmals seit 2008 eine Dividende bekamen.

Dass die Deutsche Bank zur selben Zeit einen Verlust von fast sieben Milliarden Euro bekannt gab, machte die Sache aus Sicht des kleinen Konkurrenten nur noch schöner: Nach vielen schmachvollen Jahren hatten die "Gelben" den Titel der "Frankfurter Krisenbank" endlich an die "Blauen" weitergereicht.

Nur wenige Monate später ist die Aufbruchsstimmung im Commerzbank-Turm in der Frankfurter Innenstadt allerdings schon wieder verflogen. Der erste Rückschlag kam Anfang Mai bei den Zahlen für das erste Quartal: Einen Gewinneinbruch von mehr als 50 Prozent musste der jetzige Chef Martin Zielke verkünden.

Vor wenigen Tagen ist nun auch das zweite Quartal zu Ende gegangen, und Menschen, die sich in der Bank gut auskennen, geben zu Protokoll, dass sich die Lage "zumindest nicht verbessert" habe. Als größtes Problem gilt das Mittelstandsgeschäft, das nicht nur unter dem Zinstief sondern auch unter der schwachen Kreditnachfrage von den Unternehmen leidet. Mitarbeiter befürchten mittlerweile tiefe Einschnitte: 20 bis 25 Prozent der Stellen stünden in der "Firmenkundenbank" zur Disposition, sagt ein Insider.

Offiziell sagt die Bank nichts. Schließlich will Vorstandschef Zielke mit seinen Plänen für die künftige Strategie frühestens im Herbst an die Öffentlichkeit. Der Druck auf ihn wächst allerdings: Die Affäre um strittige Steuergeschäfte - "Cum-Ex" und "Cum-Cum" - haben dem 53-Jährigen den Einstand verdorben. Zudem fällt die Aktie immer weiter. Im Vergleich zum November, als Blessing seinen Rückzug ankündigte, haben die Commerzbank-Papiere fast 50 Prozent an Wert verloren. Es wird immer klarer, dass der ehemalige Chef seinem Nachfolger ein zwar stabilisiertes, aber auch gelähmtes Institut übergeben hat. Hinter dem Milliardengewinn verbirgt sich eine Kapitalrendite von gerade einmal 2,8 Prozent; das Ziel der Bank sind zehn Prozent. Darüber hinaus fallen bei der Commerzbank für jeden Euro Ertrag noch immer mehr als 70 Cent Kosten an. Eigentlich sollte dieser Wert längst unter 60 Cent liegen.

"Verkauft wird das als Strategie - doch im Kern geht es um ein neues Sparprogramm."

Bei der neuen Strategie, an der Zielke gemeinsam mit Vertrauten und unterstützt von der Unternehmensberatung McKinsey arbeitet, soll es um drei große Themen gehen: Ertragswachstum, Digitalisierung und Kosten. Interne Kritiker glauben allerdings zu wissen, dass der Fokus eindeutig auf dem dritten Punkt liege: "Verkauft wird das als Strategie - doch im Kern geht es um ein neues Sparprogramm", heißt es aus der Bank. Dabei könnte es neben dem Mittelstandsgeschäft auch die ehedem von Zielke geführte Privatkundensparte treffen. Die hat zwar dank teurer Werbekampagnen und großzügiger Willkommensprämien seit 2012 fast eine Million neue Kunden gewonnen. Ob sich die neue Klientel für die Bank aber dauerhaft rechnet, ist unklar. "Im ersten Quartal hat der Privatkundenbereich von einem Sonderertrag von 44 Millionen Euro profitiert. Wenn der wegfällt, wird die Luft auch dort dünner", sagt der Insider.

Filialschließungen im großen Stil schließt die Commerzbank nach wie vor aus - auch wenn das Institut seit 2012 nach und nach schon etwa 150 Zweigstellen aufgegeben hat. Stattdessen schwärmte der neuen Privatkundenchef Michael Mandel jüngst von bis zu hundert neuen "Flagship-Filialen", zu denen gut besuchte Standorte in zentralen Großstadtlagen ausgebaut werden sollen. Entsprechende Pilotversuche in Stuttgart und in Berlin seien erfolgreich verlaufen.

Weniger gern spricht das Management über die andere Seite dieser Pläne. Viele Zweigstellen werden zu sogenannten "City-Filialen 2.0" zurückgebaut. Dort sollen die Kunden nur noch wenige Standardprodukte erhalten. Vermögensberatung oder Baufinanzierungen hingegen gibt es nicht mehr. "Das muss man sich so ähnlich wie die ganzen kleinen Mobilfunkshops vorstellen", ätzt einer der Kritiker.

Vorerst bleibt indes abzuwarten, was Plan bleibt und was Realität wird. Ende September halten Vorstand und Aufsichtsrat ihre jährliche Strategietagung ab - erst dann dürfte sich Zielke klar positionieren. Sämtliche Denkverbote wurden intern offenbar gekippt: "Es gibt derzeit verschiedene Projekte in der Bank, die streng geheim behandelt werden und sich mit allen möglichen Fragestellungen beschäftigen", heißt es aus Aufsichtsratskreisen. Nicht einmal mehr die Aufteilung der Sparten gilt als sakrosankt. Kleinere Geschäftskunden etwa werden momentan noch von der Privatkundensparte betreut - auch das muss nicht so bleiben.

Behauptungen, dass Aufwendungen für teure Sparmaßnahmen schon in diesem Jahr die Bilanz verderben könnten - so wie es viele neue Vorstandschefs in ihrem ersten Amtsjahr gerne machen - werden aus Konzernkreisen trotzdem klar zurückgewiesen. Eine Rückstellung für eine Dividende ist bereits gebucht, in diesem Jahr soll sie wieder fließen. Heißt es zumindest.

© SZ vom 05.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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