China-Geschäft:Adidas und die Spiele

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Der zweitgrößte Sportartikelhersteller der Welt mit Sitz in Deutschland geht in diesen Wochen ein besonderes Risiko ein. Doch Adidas sollte sich auch den gesellschaftspolitischen Debatten stellen.

Marc Beise

Als Hauptsponsor der Olympischen Spiele 2008 kettet sich Adidas eng an den Erfolg oder Misserfolg der Spiele in China. Die politische und menschenrechtliche Brisanz des Themas ist offensichtlich. Im Vorfeld der Spiele, die an diesem Freitag beginnen, war so unendlich mehr über Politik zu hören und zu lesen als über den Sport. Ob sich das ändert, wenn die Wettkämpfe erst einmal laufen, hängt von vielen Ungewissheiten ab.

Was, wenn der chinesische Staat plötzlich wieder sein hässliches Gesicht zeigt, wenn die Meinungs- und Pressefreiheit massiv behindert wird, wenn Demonstranten niedergeknüppelt werden oder noch Schlimmeres geschieht? Das monatelange Ringen um freundliche Spiele in einer offenen und freien Umgebung zeigt, wie fragil das Verhältnis zwischen den chinesischen Machthabern und der westlichen Welt ist. Mittendrin das Internationale Olympische Komitee, das einerseits den Geist von Sport, Spiel und Spaß hochhält, andererseits aber in hohem Grad kommerzialisiert und diskretionär ist. Das ist die erste große Ungewissheit, der sich die Firma Adidas ausgesetzt sieht.

Die zweite Herausforderung ist das Thema Doping, das immer wieder Schlagzeilen macht. Der Entweihung durch den Radsport, wo Adidas zeitweise das T-Mobile-Team sponserte, hat das Unternehmen ausweichen können, indem es sich ziemlich rasch - soweit es die geschlossenen Verträge zuließen - zurückgezogen hat. Sollte Peking 2008 sich als Drogenbabel erweisen, könnte Adidas nicht so leicht ausweichen.

Vorstandsvorsitzender Herbert Hainer ist in der Dopingproblematik firm und engagiert, reagiert aber auffällig spröde, wenn es um die politische Dimension geht. "Adidas ist ein unpolitisches Unternehmen", wird der sportbegeisterte Niederbayer nicht müde zu betonen. Er steht damit in einer Tradition vieler deutscher Wirtschaftsführer, die mit und in China Geschäfte machen und sich dabei nicht stören lassen wollen. Das ist kurzsichtig und falsch. Denn weder findet Sport im luftleeren Raum statt, noch kann sich eine Firma, die sich zu den westlichen Werten bekennt, aus der Situation des Gastlandes heraushalten, wenn diese sich signifikant von der eigenen unterscheidet. Adidas, eines der bekanntesten und erfolgreichsten Unternehmen, muss Vorbild sein.

Dies einzuklagen und Hainers Zurückhaltung zu kritisieren, heißt freilich nicht zu fordern, dass das Unternehmen den Spielen fernbleiben oder täglich in Peking auf die Barrikaden gehen sollte. Wollte man dies wirklich einklagen, forderte man den wirtschaftlichen Selbstmord. Adidas ist als Partner bei Sportgroßveranstaltungen gewachsen, es hat alle Olympischen Spiele seit 1928 gesponsert und hat zahlreiche Sportler und Offizielle unter Vertrag. Dieses Engagement ist Teil des überaus erfolgreichen Geschäftsmodells, sich ganz auf den Sport zu konzentrieren und nicht, wie andere, in den Modebereich zu mäandern.

Auch mit China ist Adidas unrettbar verbunden. Längst schon stehen die Fabriken, in denen die berühmten Schuhe mit den drei Streifen gefertigt werden, vorzugsweise in Fernost. Dort kostensparend zu produzieren, aber in Deutschland zu lenken und zu forschen, ist ein Erfolgsrezept, dem deutsche Mittelständler mit mehr oder weniger Erfolg nacheifern - in der Summe zum Wohle des hiesigen Standorts. Chinas 1,3 Milliarden Einwohner sind auch eine bevorzugte Zielgruppe für Adidas. Das beschert dem Unternehmen Rekordgewinne, hat aber auch eine politische Dimension. Man kann vermutlich sagen, dass die Ausstattung der Chinesen mit den Adidas-Produkten ein nicht unwesentlicher Faktor der Öffnung des Riesenreiches in der Welt ist.

Insofern handelt Adidas ungeachtet mancher Kritiker konsequent. Der Konzern sollte sich freilich auch den gesellschaftspolitischen Debatten mit mehr Begeisterung und Engagement stellen: Adidas hat dafür die Erfahrung und die Kompetenz - und es würde seine Glaubwürdigkeit erhöhen.

© SZ vom 06.08.2008/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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