Callcenter-Schließungen:Mit vereinten Kräften gegen die Telekom

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Heftige Proteste gegen die Callcenter-Schließungen der Telekom: Die Gewerkschaft Verdi prüft Streiks, einige Städte wollen Telefon-Verträge kündigen.

Caspar Dohmen

Die Ankündigung der Deutschen Telekom, bundesweit Dutzende Callcenter zu schließen, ist bei Beschäftigten und betroffenen Städten auf heftige Proteste gestoßen. Die Arbeitnehmer wollen sich gegen die Sparpläne wehren, Verdi prüft die Möglichkeit von Streiks. Am Freitag demonstrierten bereits Hunderte Arbeitnehmer gegen die Verlagerung ihrer Arbeitsplätze. Einige Städte erwägen, Telefon-Verträge zu kündigen.

Deutschlandweit gingen Telekom-Mitarbeiter aus Protest auf die Straße. (Foto: Foto: dpa)

Deutschlandweit spontane Proteste

"Wir versuchen, den Plan der Telekom zu Fall zu bringen", sagte Ado Wilhelm, bei der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi zuständig für die Callcenter, der Süddeutschen Zeitung. "Derzeit prüfen wir, ob die Voraussetzungen für einen Arbeitskampf gegeben sind.

Zu spontanen Protesten von Mitarbeitern kam es unter anderem in München, Passau, Halle, Schwerin, Saarbrücken, Ulm und Wesel. Auch Politiker kritisierten die Konzernführung. Bundesarbeitsminister Olaf Scholz (SPD) sagte: "Man soll nicht glauben, dass alle diese Entscheidungen klug bedacht und rational sind."

Gesamtfahrtzeit von vier Stunden ist zumutbar

Der Regierungschef des Stadtstaates Bremen, Bürgermeister Jens Böhrnsen, beklagt in einem Brief an Telekom-Chef René Obermann den drohenden Verlust von Arbeitsplätzen. Einige Städte planen, ihre Kräfte zu bündeln, um die Schließung von Standorten zu verhindern. Sie sprechen auch davon, Verträge mit der Telekom zu kündigen. "Ein solcher Schritt wäre bedauerlich, weil er die ohnehin schwierige Situation der Telekom weiter erschweren werde", sagte ein Telekomsprecher.

Der Konzern will aus 83 Callcentern in 63 Städten künftig 24 Callcenter in 24 Städten machen. 8000 der 18.000 Beschäftigten sollen umziehen oder pendeln. Die 200 Beschäftigten aus Saarbrücken sollen im 131 Kilometer entfernten Ludwigshafen arbeiten, die 100 Mitarbeiter aus Trier im 164 Kilometer entfernten Bonn, die 320 Beschäftigten aus München sollen je zur Hälfte nach Traunstein oder Augsburg pendeln.

Zumutbar ist laut Tarifvertrag eine tägliche Gesamtfahrzeit zum Arbeitsplatz von vier Stunden. Für 1465 Beschäftigte muss die Telekom laut Verdi eine Alternative finden, weil die Grenzen des Zumutbaren überschritten würden. Verdi-Vertreter Ernst Edhofer befürchtet, den meisten werde wohl nichts anderes übrig bleiben, als zu kündigen.

Zu 60 Prozent Frauen mit Familie

"Das scheint aber genau das zu sein, was der Konzern anstrebt." Verdi wirft der Telekom Vertragsbruch vor. Entgegen einer Abmachung sei die Gewerkschaft nicht frühzeitig über die Zusammenlegung von Standorten und die Auslagerung von Betriebsteilen informiert worden, sagt Wilhelm.

In den Callcentern arbeiten zu 60 Prozent Frauen, die häufig Familie haben, zu 28 Prozent Teilzeitkräfte und zu zehn Prozent Schwerbehinderte. Die Telekom habe sich den Schritt nicht leicht gemacht, sagte ein Konzernsprecher. "Wir sind uns bewusst, was wir dem Einzelnen abverlangen." Die Alternative wäre eine Verlagerung der Jobs ins Ausland.

Das Unternehmen will durch die Schließungen jährlich 57 Millionen Euro einsparen. Größere Einheiten seien aber nicht automatisch wirtschaftlicher, heißt es beim Branchenverband Callcenter-Forum Deutschland. Die Unwirtschaftlichkeit der betroffenen Callcenter sei für ihn nicht nachvollziehbar, sagte Telekom-Gesamtbetriebsratschef Wilhelm Wegner der SZ.

Die Telekom verfolgt einen Sparkurs, weil jährlich Hunderttausende Kunden abwandern und daher der Umsatz auf dem deutschen Markt sinkt. Bis 2010 will der Konzern seine Kosten um jährlich bis zu 4,7 Milliarden Euro senken. Erreicht sind drei Milliarden Euro.

© SZ vom 23.08.2008/jkr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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