Brüssel:Abgastests werden kaum verschärft

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Das Europaparlament billigt ein Prüfverfahren, bei dem die Grenzwerte für Dieselautos deutlich überschritten werden dürfen.

Von Alexander Mühlauer, Brüssel

Nach der VW-Affäre muss sich die Autoindustrie auf neue Abgastests einstellen. Die Emissionen von Dieselfahrzeugen werden künftig auf der Straße und nicht mehr im Labor überprüft; allerdings können die bislang geltenden Grenzwerte deutlich überschritten werden. Nachdem sich die EU-Staaten auf großzügige Abweichungen geeinigt hatten, wurden diese am Mittwoch vom Europaparlament mit knapper Mehrheit gebilligt. Bei der Abstimmung in Straßburg entschieden sich 323 Abgeordnete für die neuen Regeln, 317 Parlamentarier lehnten die Vorlage ab.

Umweltverbände und die Bürgermeister mehrerer europäischer Großstädte wie Paris, Madrid und Mailand hatten das Parlament dazu aufgerufen, ein Veto einzulegen und für strengere Vorgaben zu kämpfen. Vor allem Sozialdemokraten und Grüne kritisierten die neuen Tests als zu schwach und gesundheitsschädlich. Stickoxide können zu Atem- und Kreislaufbeschwerden führen und tragen zur Bildung von Feinstaub bei. Die Christdemokraten wiederum plädierten für die Abgastests, weil der Vorschlag bereits einen Fortschritt gegenüber der aktuellen Lage bedeute. Mit der Einführung der Straßentests sollen in der EU realistischere Ergebnisse erzielt und Manipulationsversuche wie im Fall von VW verhindert werden.

Derzeit dürfen Autos gemäß der Euro-6-Abgasnorm nur 80 Milligramm Stickoxid (NOx) pro Kilometer ausstoßen. Diesen Wert sollen neu entwickelte Fahrzeuge in einem ersten Schritt zwischen September 2017 und Januar 2020 noch um mehr als das Doppelte überschreiten dürfen. Von 2020 an wird nur noch eine Abweichung von bis zu 50 Prozent toleriert. Die EU-Kommission hatte ursprünglich vorgeschlagen, dass die Straßenmesswerte die vorgeschriebene Grenze von 80 Milligramm pro Kilometer um 60 Prozent gegenüber den Laborergebnissen überschreiten dürfen. Dies wurde von der Mehrheit der EU-Staaten aber abgelehnt.

In einem weiteren Schritt will die Europäische Kommission das Zulassungsverfahren für Autos reformieren und technische Prüfstellen EU-weit überwachen. Künftig sollen EU-Experten Dienstleister wie TÜV und Dekra kontrollieren. Zudem will die Brüsseler Behörde selbst testen und wenn nötig Rückrufe anordnen. Auch die Aufsichtsbehörden der EU-Staaten sollen Rückrufaktionen verlangen können, selbst wenn der Fahrzeugtyp in einem anderen EU-Land zugelassen wurde. Bei Gesetzesverstößen soll es Geldbußen geben: Ein Hersteller muss demnach mit einer Strafe von bis zu 30 000 Euro pro Fahrzeug rechnen, was bei weitreichenden Verstößen zu Kosten in Milliardenhöhe führen könnte. Sogenannte "defeat devices" sollen verboten bleiben. Mit einer derartigen Software hatte Volkswagen Abgaswerte manipuliert. Die EU-Kommission will durchsetzen, dass die Autobauer auch die Protokolle der in den Pkw genutzten Software offenlegen. Diese Pläne bedürfen allerdings noch der Zustimmung des Europaparlaments und der EU-Staaten. Belgien hat wegen angeblich erhöhter Abgaswerte beim Modell Zafira eine Untersuchung gegen den Autobauer Opel begonnen.

Ein Messschlauch steckt im Auspuff eines VW Golf. (Foto: Patrick Pleul/dpa)
© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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