Brexit:Szenario Schrecken

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Die deutsche Industrie versucht sich auf den Ausstieg der Briten einzustellen. Jetzt simuliert sogar eine Taskforce mögliche schlimme Folgen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Wie ein Handel mit Großbritannien ohne Handelsabkommen funktionieren soll, weiß derzeit kein Mensch. Nicht nur Zölle und Kontrollen könnten dem Brexit folgen, sondern ganz neue Dokumentationspflichten. Firmen müssten darlegen, welche Teile eines Produktes in Großbritannien hergestellt wurden - unter derart verflochtenen Ökonomien ist das gar nicht so einfach. "Damit würden sofort Probleme in der Produktion und im Transport von Waren massiv zunehmen", sagt Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der deutschen Industrie.

Es sind Fragen wie diese, denen die deutsche Wirtschaft gerade verschärft nachgeht. Zunehmend sorgenvoll verfolge man mittlerweile die Ausstiegs-Verhandlungen, sagt Lang. "Der britischen Regierung fehlt es trotz vieler Worte an einem klaren Konzept."Der Parteitag der Tories in dieser Woche habe die Dinge nicht gebessert, im Gegenteil: Die Unsicherheit wächst.

Eine eigene Taskforce simuliert mittlerweile mögliche Folgen. Arbeitgeber gehören ihr an, Industrie- und Handelskammern, Bankenverband und Versicherungswirtschaft. Die Gruppe soll eruieren, wie sich verschiedene Szenarien auf die Wirtschaft auswirken - vom eher sanften bis zum harten, ungeordneten Austritt Großbritanniens aus der EU. Klar ist schon jetzt: Es wird die britische Wirtschaft schlimmer treffen als die im Rest der EU. Und je länger sich die Verhandlungen ziehen, desto härter könnte es kommen.

Beispiele gibt es zuhauf. Unklar ist etwa, wie es mit dem Schutz personenbezogener Daten weitergeht. Finden Brüssel und London keine Anschlussregelung für Europas Datenschutz-Grundverordnung, dürfte kein Server auf der Insel Daten von EU-Bürgern speichern. Oder die Chemikalien-Verordnung "Reach": Sie sorgt für Transparenz im Umgang mit Chemikalien - die Teilnahme an der Datenbank, die alle Substanzen und ihre Verwendung enthält, ist innerhalb der EU verpflichtend. Was aber passiert mit britischen Importen, wenn es keine Anschlussregelung gibt? Ein Rätsel.

Ob Zeit bleibt, derlei Anschlussregelungen zu suchen, steht in den Sternen. Die Wirtschaft drängt darauf, erst die Modalitäten des Austritts zu klären, dann die Regeln für den Übergang. Eine schier unlösbare Aufgabe, denn der Stichtag ist der 30. März 2019. Dann ist der Brexit vollzogen. Ähnlich sieht es für Abkommen mit Drittstaaten aus: Noch genießt Großbritannien den vereinfachten Marktzugang, den die EU ausgehandelt hat. Anschlussverträge darf London aber erst nach dem Brexit aushandeln: Solange bleibt es alleinige Kompetenz Brüssels.

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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