Brexit:Meilensteine überall

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Britische Unternehmer zeigen sich erleichtert, dass ein Übergangsabkommen den Austritt aus der EU verzögert. An den unguten Plänen für ihr eigenes Land halten sie fest.

Von Björn Finke, London

Es scheint fast so, als hätten die Chefs der britischen Wirtschaftsverbände ihre Reaktionen abgesprochen. Miles Celic von der Londoner Finanzplatz-Lobby The City UK bezeichnete die Einigung auf eine Übergangsregelung nach dem Brexit als "entscheidenden Meilenstein". Den gleichen Ausdruck benutzte Carolyn Fairbairn vom Arbeitgeberverband CBI, als sie dieses Verhandlungsergebnis der britischen Regierung und der EU bewertete. Adam Marshall vom Handelskammerverband BCC verkniff sich das "entscheidend"; er nannte die Nachricht lediglich einen "Meilenstein". Auch Andreas Dombret, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, lobte das Resultat bei einer Rede am Dienstag in Dublin. Die Übergangsphase schaffe mehr Planungssicherheit für Finanzfirmen und könne die Kosten des Brexit verringern, sagte der für Bankenaufsicht zuständige Währungshüter.

EU-Verhandlungsführer Michel Barnier und der britische Brexit-Minister David Davis hatten am Montag verkündet, dass sich für Unternehmen und Bürger nach dem Austritt im März 2019 zunächst nichts ändern solle. Während dieser Übergangsphase bis Ende 2020 bleibt das Königreich in Zollunion und Binnenmarkt, darf allerdings nicht mehr mitbestimmen.

Diese Übergangsregelung tritt allerdings nur in Kraft, wenn sich die Verhandler bis zum Brexit-Termin über die Grundzüge der künftigen Wirtschaftsbeziehungen einigen. Es gilt das in Brüssel übliche Motto: Nichts ist verbindlich ausgemacht, bis alles ausgemacht ist. Trotzdem sind Manager, Verbandsvertreter und Aufsichtsbehörden erleichtert, dass sie nun aller Voraussicht nach 21 Monate mehr Zeit haben, sich auf den Austritt vorzubereiten.

Wie dieser Brexit am Ende aussieht, ob Geschäfte über den Ärmelkanal deutlich schwieriger werden, ist unklar. Die Versprechen der britischen Premierministerin Theresa May weisen auf einen recht harten Brexit hin. Sie will keine Zollunion mit der EU eingehen und nicht im Binnenmarkt bleiben. Ein besonderes und innovatives Handelsabkommen soll dennoch viele Vorteile des Binnenmarktes für Banken und Unternehmen in die Post-Brexit-Welt hinüberretten. Doch die EU bezeichnet das als Rosinenpicken und hält nichts davon.

Darum bereiten sich viele europäische Firmen bereits auf Nachteile durch den Brexit vor. Der britische Wirtschaftsverband Chartered Institute of Procurement and Supply (CIPS) befragte - vor der Einigung auf eine Übergangsregelung - 2418 Manager von EU-Firmen aus zahlreichen Branchen, darunter Industrie, Finanzdienstleister, Einzelhandel und Baugewerbe. Jedes siebte Unternehmen antwortete, wegen des anstehenden Austritts verringere es schon seine Aktivitäten im Königreich. Jede zehnte Firma will demzufolge Mitarbeiter aus dem Königreich abziehen.

Allerdings gibt es auch gute Nachrichten für die Untertanen Ihrer Majestät. So stecken Investoren weiter fleißig Geld in Londoner Start-ups. Die Unternehmensberatung EY hat berechnet, dass im vergangenen Jahr 4,9 Milliarden Euro an junge Firmen an der Themse flossen. Platz zwei geht an Berlin, wo drei Milliarden Euro investiert wurden, wie der am Dienstag veröffentlichten Europa-Rangliste der Start-up-Zentren zu entnehmen ist. Am gleichen Tag präsentierte die Statistikbehörde Inflationszahlen für Februar: Die Preise waren 2,7 Prozent höher als im Vorjahresmonat nach 3,0 Prozent im Januar. Der Wert für Februar ist der niedrigste seit Sommer.

Weil das Pfund seit dem Brexit-Referendum an Wert verloren hat, werden Importe teurer. Das erhöht die Inflation; britische Haushalte können sich also weniger leisten und halten sich beim Shoppen zurück. Das wiederum führt dazu, dass die Wirtschaft langsamer wächst. Doch Fachleute erwarten, dass die Inflationsrate nun weiter abnimmt.

© SZ vom 21.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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