Brexit:Beziehungskrise

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Passenderweise redete Davis im Berliner Museum für Kommunikation. London und der Kontinent verstehen sich nicht mehr seit dem Brexit-Votum. (Foto: Stephan Rumpf)

Der britische EU-Austritt weckt bei vielen Deutschen ein Gefühl enttäuschter Liebe. London und der Kontinent blieben aber trotzdem Freunde, so David Davis.

Von Stephan Radomsky, Berlin

Eine Liebeserklärung war es nicht gerade, die David Davis da ablieferte. Eher schon ähnelte sein Aufritt in Berlin einem dieser Gespräche, wie sie Paare oft führen, wenn klar ist, dass sie sich trennen werden. Eines dieser Gespräche an deren Ende einer - meist derjenige, der Schluss gemacht hat - sagt: "Lass uns aber Freunde bleiben, ja?"

Freilich klingt das beim für den britischen EU-Austritt zuständigen Minister weniger profan, Davis ist schließlich auch schon 68 Jahre alt und sitzt seit 30 Jahren im Parlament in Westminister. Also sagt er bei der "Nacht der europäischen Wirtschaft" der SZ Sätze wie: "Der Brexit heißt nicht, dass wir alles wegwerfen, was wir haben." Oder: "Es ist wichtiger denn je zuvor, dass das Vereinigte Königreich und Deutschland zusammenarbeiten, um unsere gemeinsamen Werte und Interessen zu schützen." Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit - da sei es doch zweitrangig, ob man noch ständig in denselben Institutionen zusammensitze. "Trotz alledem bin ich mir jedoch sicher, dass alle 28 EU-Mitgliedstaaten auch nach dem Austritt Großbritanniens eine glänzende Zukunft haben werden."

Davis befürchtet offenbar nicht, dass die Rest-EU den Briten einfach den Koffer vor die Tür stellt. Das wird auf dem Abend klar. Eigentlich müsse er sich gar nicht mit Brüssels Chefverhandler Michel Barnier einig werden, vermittelt Davis. Der sei sowieso "sehr französisch" und das von ihm bis kommenden Freitag gesetzte Ultimatum für eine Grundsatzeinigung nicht so entscheidend. Am Ende, so lässt es Davis durchblicken, würden sich schon die Staats- und Regierungschefs aus London, Berlin und Paris über die Brexit-Streitpunkte einigen und so den Weg frei machen für Verhandlungen über ein britisch-europäisches Handelsabkommen, vermutlich irgendwann Mitte Dezember, kurz vor dem entscheidenden Gipfel.

Es sei nicht alles schlecht gewesen. Aber jetzt werde eben alles noch besser

Wie ernst die Kontinentaleuropäer die Beziehungskrise mit den Briten nehmen, scheint Davis nicht klar zu sein - oder nicht zu interessieren. Ohnehin gilt er nicht gerade als gefühliger Politiker, in London wird der ehemalige Reserve-Soldat der Eliteeinheit SAS oft als Haudrauf beschrieben, der sich schon öfter die Nase gebrochen hat, physisch wie politisch.

Dass die EU in der Sache sehr geschlossen sei, wie es etwa Davis' Tischnachbar, Ex-Finanzminister Peer Steinbrück, betont, beeindruckt den Briten wenig. Genauso wie dessen Liebeserklärung an die Briten. Steinbrück ist Hamburger und allein schon deshalb anglophil veranlagt, zwei seiner Kinder sind auch auf der Insel ausgebildet. Neben Davis sitzt der ehemaligen Unions-Fraktionsvorsitzende Friedrich Merz. Der ist zwar weniger emotional als Steinbrück, als neuer Brexit-Beauftragter von Nordrhein-Westfalen aber von Dienst wegen sehr daran interessiert, was Davis vorhat. Die Erkenntnisse des Abends sind aber - typisch Beziehungsgespräch - eher verwirrend.

Es sei ja nicht alles schlecht gewesen in der gemeinsamen Zeit mit der EU, sagt Davis. Trotzdem gehörte er vor dem großen Referendum zu den fleißigsten Werbern für den Brexit. Deshalb: Jetzt werde eben alles noch besser. Großbritannien werde ein Partner für die EU wie kein anderer: "Viel näher als Kanada, viel größer als Norwegen, und in besonderer Weise integriert in allen Bereichen, von den Energienetzen bis hin zu den Dienstleistungen."

Geht es nach dem Brexit-Minister, werden die Briten sowieso nicht so plötzlich ausziehen aus der EU. Es solle eine Übergangsphase geben von "etwa zwei Jahren", während der auch nach dem Austritt weiter europäisches Recht in Großbritannien gelten solle. Die Insel und der Kontinent seien wirtschaftlich eng verbunden, Autos aus Deutschland können problemlos auch in London zugelassen werden, dafür können deutsche Sparer ihr Geld ohne weiteres in Finanzprodukten aus der City anlegen. Ganz einfach, ohne Zölle oder sonstige Hürden, dem Binnenmarkt sei Dank. Das solle so bleiben, in den beiden Trennungsjahren eben nach EU-Regeln, anschließend auf Basis der neuen Partnerschaft. Die Unternehmen beiderseits des Kanals müssten sich so nur einmal umstellen, verspricht Davis.

Nur, warum London dann unbedingt raus muss aus der EU, wenn doch die gemeinsamen Werte, Interessen und Ansätze weiter bestehen - dafür liefert Davis keinen triftigen Grund, weder auf dem Podium noch beim Tischgespräch. Trotzdem: Zwischen Deutschland und Großbritannien könne es nach dem Brexit eine neue "anhaltende und spannende Partnerschaft" geben.

© SZ vom 18.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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