Börsenboom:Großes Casino

Die Aktienkurse boomen, der Dax kratzt an der Marke von 8000 Punkten. Doch viele Deutsche haben sich enttäuscht von der Volksaktie Telekom und ernüchtert durch geplatzte Hypes von den Börsen abgewandt. Damit geben sie viele Chancen auf.

Ein Kommentar von Alexander Hagelüken

Wer polemisch formuliert, drückt es so aus: Aktien können es Skeptikern nie recht machen. Boomen die Kurse wie derzeit, da der Deutsche Aktienindex an 8000 Punkten kratzt, wissen Mahner sofort Bescheid: Risiken unterschätzt, Blase entstanden, die Börse ist doch ein großes Casino. Fallen dagegen die Kurse, sind oft dieselben Mahner genauso schnell da: Blase geplatzt, Aktien sind nichts für Sparer, die Börse ist doch ein großes Casino.

Kratzt man die Ideologie von solchen Aussagen ab, bleibt ein wahrer Kern. Ja, Investments in Aktien bergen Risiken. Die Gefahren sind größer als bei den Anlagen, die die Deutschen so lieben: Festgeld, Lebensversicherungen, Bausparverträge. Doch als Prämie für diese Risiken winkt eben ein deutlich höherer Gewinn durch Dividenden und Kurssteigerungen.

Das hat einen einfachen Grund: Wachstum und Innovationen einer Volkswirtschaft werden zum großen Teil von Firmen geschaffen - und es gibt keinen direkteren Weg als Aktien, um von diesen Erfolgen zu profitieren. Wie lässt sich sonst am Mehrwert partizipieren, der in Unternehmen entsteht? Durch Gold? Eher nicht. Durch Immobilien? Nur zum Teil. Die neue Forbes-Liste zeigt anschaulich, wie Menschen reich werden: durch Aktien der Firmen, die sie besitzen.

Natürlich, ein Sparer kann mit Aktien Geld verlieren. Er kann aber auch Geld verlieren, wenn wie derzeit Inflation die Rendite der bei den Deutschen so beliebten Produkte auffrisst.

Die vergangenen eineinhalb Dekaden brachten für Anleger unangenehme Wahrheiten. Dazu zählen nicht nur zwei Crashs an der Börse. Sondern auch die Erkenntnis, dass vermeintlich sichere Anlagen gar nicht so sicher sind: Immobilien- und Geldmarktfonds strauchelten, Griechenland zog als erster EU-Staat überhaupt einen Schuldenschnitt bei Anleihen durch.

Solche Erfahrungen relativieren das Risiko von Aktien. Und dazu kommt, dass die verbliebenen bisher sicheren Anlagen einen großen Nachteil aufweisen: Der Anleger bezahlt ihre Sicherheit oft teuer. Weltweit halten die Notenbanken wegen der hohen Staatsschulden und der Bekämpfung der Krisen die Zinsen niedrig - und das wird noch eine ganze Weile so bleiben. Diese Minizinsen entwerten Anlagen wie Festgeld oder Lebensversicherungen, die oft kaum noch Rendite abwerfen.

Werden die Kurse wieder fallen?

Es ist also richtig, wenn Sparer aus den Crashs der vergangenen 15 Jahre gelernt haben, dass Aktienkurse rasant schmelzen können. Zu viele von ihnen leugnen aber die anderen Erfahrungen dieser Zeit: Den Verlust an Sicherheit bei traditionell sicheren Anlagen und die Minizinsen.

Enttäuscht von der Volksaktie Telekom und ernüchtert durch geplatzte Hypes haben sich viele Deutsche von den Börsen abgewandt. Damit gaben sie aber auch die Chance auf, ihr Geld durch einen Aktienanteil am Vermögen zu mehren.

Was heißt das für die aktuelle Situation, in der die jüngste Börsenhausse wieder an vielen Deutschen vorbeiging? Sind das nun absolute Kaufkurse? Nein, die Notierungen sind in einer Weise gestiegen, die einen weiteren gleich starken Anstieg unwahrscheinlich erscheinen lässt. Und ja, es gibt Risiken für Aktien. Wenn Italien keine vernünftige Regierung bekommt und andere Krisenstaaten bei den Reformen nachlassen, trübt sich das ganze Bild ein. Bisher reagieren die Finanzmärkte aber gelassen auf die italienischen Probleme, selbst die Kurse der Staatspapiere sind relativ stabil.

Der Börsenboom beruht keineswegs nur auf dem billigen Geld der Zentralbanken. Deutsche Unternehmen sind international wettbewerbsfähig, die deutsche Volkswirtschaft erstaunlich stabil. Daraus fließen Erträge, die die Firmen an ihre Anteilseigner weitergeben (und nur an die). Schon die Dividenden vieler Standardwerte bringen eine weit höhere Rendite als die meisten Zinsanlagen. Wer langfristig denkt und Rückschläge aussitzen kann, kommt an Aktien nicht vorbei.

Werden die Kurse wieder fallen? Natürlich wird es auch wieder Rückschläge geben. Wer nicht Hals über Kopf alles in Aktien gesteckt hat, kann so einen Einbruch abwarten, ohne seine Papiere zum niedrigsten Kurs verkaufen zu müssen. Er behält die Aktien einfach langfristig. Die Allianz, Daimler oder Siemens zählen 120 bis 160 Jahre und sind damit mindestens doppelt so alt wie die Bundesrepublik - oder der moderne griechische Staat. Die Sicherheit, die deutschen Sparern so wichtig ist, lässt sich auf unterschiedliche Art finden.

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