BND-Affäre:Verdacht auf Industriespionage

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Airbus will Strafanzeige gegen unbekannt stellen. Und fordert von der Regierung Informationen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Airbus-Group-Chef Tom Enders ist bekannt als Mann klarer Worte und Entscheidungen. Als die Kosten beim Militärtransporter A400M aus dem Ruder zu laufen drohten, kündigte er an, Airbus werde das Programm ohne neue Absprachen mit den Abnehmerländern einstellen. Als Deutschland sich im Gegensatz zu den europäischen Partnern nicht am internationalen Libyen-Einsatz beteiligen wollte, trat er aus der CSU aus. Und als ihm der damalige Luft- und Raumfahrtkoordinator Peter Hinze (CDU) die geplante Fusion mit BAE Systems verdarb, war das letzte Wort zwischen den beiden gesprochen.

Seither ist es etwas weniger turbulent zugegangen in der wechselhaften Beziehung zwischen dem Luft- und Raumfahrtkonzern und der deutschen Politik. Doch nun ist die nächste Eskalationsstufe erreicht: die Airbus Group, früher als EADS bekannt, will Strafanzeige gegen Unbekannt stellen wegen des Verdachts der Industriespionage. Airbus entschloss sich zu dem Schritt, nachdem der Bundesnachrichtendienst mutmaßlich dem amerikanischen Geheimdienst NSA auch dabei geholfen hat, Unternehmen befreundeter Länder auszuspionieren, unter anderem auch die Airbus Group. Angeblich soll auch das Bundeskanzleramt davon gewusst haben.

Die Frage ist, welche Auswirkungen die Spähaktion bei Aufträgen hatte

Airbus hat einem Sprecher zufolge keine eigenen Erkenntnisse, dass der Verdacht auch tatsächlich zu erhärten ist. Auf alle Fälle hat das Unternehmen neben der Strafanzeige auch "die Bundesregierung um Auskunft gebeten."

Mögliche Spähaktionen gegen die Airbus Group wären nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich äußerst brisant. Denn Airbus konkurriert sowohl im zivilen als auch im militärischen Flugzeugbau gleich mit mehreren amerikanischen Unternehmen, vor allem mit Branchenprimus Boeing. Die große Frage ist nun, zu welchen internen Airbus-Informationen die NSA tatsächlich Zugang gefunden hat und welche Auswirkungen dies bei Aufträgen hatte. Sollte sich herausstellen, dass der BND mit stillschweigender Duldung der Regierung dazu beigetragen hat, den mit Abstand größten hiesigen Luftfahrtkonzern zu schwächen, wäre dies eine besondere Wendung. Und für Enders ein weiterer Test in Sachen Diplomatie. Denn er weiß, dass er und sein Unternehmen trotz allem auch weiter auf die Bundesregierung angewiesen sind. Und auch die hat angesichts von stetigen Verspätungen und Pannen bei wichtigen Projekten (A400M, Hubschrauber NH-90) genug Grund, sich über Airbus zu beklagen.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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