Berliner S-Bahn:Gefährlicher Stillstand

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Die Bahn wollte sparen - jetzt bekommt sie die Rechnung. Nach Mängeln an S-Bahn-Zügen muss sie um den prestigeträchtigen Berlin-Auftrag bangen.

Silke Bigalke u. Klaus Ott

Zu normalen Zeiten gilt die Berliner S-Bahn als vergleichsweise pünktlich und sogar relativ sauber. Seit zwei Wochen aber ist nichts mehr normal.

S-Bahn in Berlin: Mangelnde Wartung hatte zu zahlreichen Ausfällen geführt. Die Deutsche Bahn wollte eigentlich Geld einsparen - das so verursachte Chaos kostet jetzt Millionen. (Foto: Foto: ddp)

Auf Weisung des Eisenbahnbundesamtes stehen Hunderte Züge stehen still, weil die S-Bahn Berlin GmbH, eine Tochter der Deutschen Bahn, die Wartung vernachlässigte. Schlimmstenfalls droht der Verlust des Auftrags - ausgerechnet in der Hauptstadt, am Konzernsitz in Berlin.

Am Montag mühte sich Bahnchef Rüdiger Grube, das Schlimmste zu verhindern. Mit Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit kam er zu einem "Berliner Bahngipfel" zusammen. Hauptthema: die S-Bahn. Schon jetzt kostet das S-Bahn-Chaos das Unternehmen Millionen.

"Wir werden nur zahlen, was auch geleistet wurde," kündigte Wowereit an und strich für den Monat Juli sieben Millionen Euro für die Bahn. Bahnchef Gruber erwartet Mindereinnahmen von insgesamt 20 bis 25 Millionen Euro. Weitere 25 Millionen Euro dürften die Entschädigungen kosten, die die Bahn Kunden für die Ausfälle zahlt.

Bisher ging der Auftrag konkurrenzlos an die Bahn

Schlimmer als das ist jedoch der Prestigeverlust für die Bahn und die Angst, das wichtige S-Bahn-Geschäft in der Hauptstadt zu verlieren. Das könnte drohen, wenn die Stadt den Vertrag für den S-Bahn-Betrieb in Zukunft öffentlich ausschreibt, anstatt den Auftrag konkurrenzlos der Bahn zu überlassen.

Einstweilen aber gibt der Berliner Senat der Bahn noch eine Chance. Mit einer Kündigung des Vertrages wollte Wowereit angesichts der Entschuldigung des Bahnchefs noch nicht drohen. Dies sei kurzfristig sowieso nicht möglich, da der Konzern im Besitz der einzigen S-Bahnen sei, die auf den Berliner Schienen fahren, sagte ein Senatssprecher.

Allerdings behielt sich Wowereit die Möglichkeit einer öffentlichen Ausschreibung des Berliner S-Bahn-Geschäfts vor. Damit würde die Deutsche Bahn den Auftrag 2017 nicht mehr automatisch bekommen. Über eine solche Ausschreibung wird der Senat spätestens im Jahr 2012 entscheiden, um möglichen Bewerbern genügend Zeit zu lassen, ihr Angebot vorzubereiten.

Wowereit forderte von der Deutschen Bahn "nachhaltige Investitionen in Strecken, Service und Fahrzeugpark." Bahnchef Gruber versicherte, dass die S-Bahn vom Mutterkonzern "alle notwendige Unterstützung" erhalte, um so schnell wie möglich zum normalen Verkehrsbetrieb zurückkehren zu können.

Unterlagen aus dem August 2005 belegen noch andere Praktiken. Damals hatte die Bahn das "Projekt X: Optimierung S-Bahnen" aufgelegt, Ziel unter anderem: Kostensenkung bei der Instandhaltung.

30 Prozent Kosten wurden eingespart, doch die Rechnung wird teuer

"Auch an der Fahrzeug-Instandhaltung und -Bereitstellung wird intensiv gearbeitet", heißt es in dem Papier. So seien durch "Anpassung der Inhalte und weitere Prozessverbesserungen" bereits 30 Prozent eingespart worden. Einsparungen, die für die Bahn nun möglicherweise teuer werden - und für Berlin sehr lästig.

Ein ernstes Problem droht schon im August: Dann kommen Tausende Besucher zur Leichtathletik-Weltmeisterschaft in die Stadt. Auf den S-Bahnsteigen dürfte es dann noch voller als bisher werden.

© SZ vom 14.07.2009/kfa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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