Berggruen schnappt sich Karstadt:25.000-faches Aufatmen

Lesezeit: 2 min

Ende gut, alles gut? Der US-deutsche Privatinvestor Berggruen verleibt sich Karstadt ein. Für die marode Warenhauskette bedeutet das vor allem eines: die Chance auf einen Neustart.

Stefan Weber

Der insolvente Warenhauskonzern Karstadt versucht unter der Regie des Investors Nicolas Berggruen einen Neustart. Der Gläubigerausschuss des Unternehmens sprach sich am Montagabend nach mehr als achtstündiger Beratungen überraschend mit großer Mehrheit für den Sohn des Berliner Kunstsammlers und Mäzens Heinz Berggruen als neuen Eigentümer aus. Der überwiegend in den USA lebende Investor will Karstadt als Ganzes weiterführen und sämtliche 25.000 Arbeitsplätze erhalten.

Nicolas Berggruen (rechts) erhält den Zuschlag für Karstadt, für Karstadt-Insolvenzverwalters Klaus Hubert Görg ist damit eine anstrengende Schlacht vorbei - mit positivem Ende. (Foto: dpa)

Kurz vor knapp noch nachgebessert

Der Entscheidung war ein heftiges Ringen der Bieter um den Zuschlag vorausgegangen. Sie hatten ihre Angebote noch kurz vor Beginn des Gläubigertreffens nachgebessert. Zwischen drei Kaufangeboten hatte der aus elf Mitgliedern bestehende Gläubigerausschuss zu entscheiden. Neben Berggruen hatten die deutsch-schwedische Beteiligungsgesellschaft Triton und das Immobilienkonsortium Highstreet um die US-Investmentbank Goldman Sachs eine Offerte abgegeben. Der vierte Interessent, eine Gruppe um den russischen Unternehmer Artur Pachomow, hatte bis Sitzungsbeginn nicht alle erforderlichen Unterlagen eingereicht.

Der 1961 in Paris geborene Investor war in Deutschland nahezu unbekannt, bis er sich am Pfingstwochenende überraschend als möglicher Retter des seit einem Jahr in der Insolvenz befindlichen Essener Warenhausunternehmens ins Spiel brachte. Die Gewerkschaft Verdi hatte damals spontan wenig Sympathie für seine Offerte geäußert. Doch in intensiven Gesprächen mit den Arbeitnehmervertretern war es Berggruen gelungen, das anfängliche Misstrauen von Verdi, die an der Seriosität des Angebots gezweifelt hatte, zu zerstreuen. Kurz vor Beginn des Gläubigertreffens am Montag hatte die Gewerkschaft sogar öffentlich angekündigt, für Bergruen stimmen zu wollen. Dessen Angebot sei aus Sicht der Beschäftigten die attraktivste Offerte, hatte eine Verdi-Sprecherin gesagt. Zudem hätten die geplante Finanzierung und die vorgesehenen Investitionen die Gewerkschaft überzeugt.

Berggruen hatte von Anfang an zugesagt, von den Karstadt-Beschäftigten, die im Rahmen des Sanierungsvertrages in den nächsten drei Jahren bereits auf 150 Millionen Euro verzichten, keine weiteren Zugeständnisse zu verlangen.

Runter mit der Miete

Dagegen fordert er von den Eigentümern der Karstadt-Häuser deutliche Mietminderungen. Über das Konzept, mit dem Berggruen dem Warenhausunternehmen neues Leben einhauchen will, ist bisher wenig bekannt. Vorwürfe, er kenne sich im deutschen Einzelhandel nicht aus, hatte er mit dem Hinweis gekontert, den US-Designer und Modeketten-Betreiber Max Azira als Partner gewonnen zu haben. Erfahrungen mit einem insolenten Unternehmen aus Deutschland besitzt er bereits: Ende 2007 erwarb er wesentliche Teile des in eine Schieflage geratenen größten deutschen Möbelhersteller Schieder. Aus dieser Zeit kennt er Thomas Fox, der seit einigen Monaten als Sanierungsexperte für Karstadt im Einsatz ist.

Berggruen war nicht als Favorit in das Bieterrennen gegangen. Viele Beobachter hatten darauf gesetzt, dass das Highstreet-Konsortium, zu dem auch Fonds der Deutschen Bank sowie der italienische Kaufhausbetreiber Maurizio Borletti gehören, den Zuschlag erhält. Highstreet hatte bei den Arbeitsplätzen und Standorten keine größeren Einschnitte geplant. Allerdings sollten die Mitarbeiter pro Woche zwei Stunden länger arbeiten ohne zusätzlich entlohnt zu werden.

Mit dem Zuschlag für Berggruen wird ein Zusammengehen von Karstadt mit dem zum Metro-Konzern gehörenden Konkurrenten Kaufhof, über das seit Monaten heftig spekuliert wird, unwahrscheinlicher. Denn nur im Fall eines Zuschlags für Highstreet hätte sich Metro-Chef Eckhard Cordes Hoffnung machen können, die etwa 50 Karstadt-Standorte, auf die er ein Auge geworfen hat, erwerben zu können.

© SZ vom 08.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: