Berechnung des Hartz-IV-Satzes:Wohlfahrtsverband geißelt Mini-Erhöhung des Hartz-IV-Satzes

  • Von 404 auf 409 Euro soll der Regelsatz für einen allein stehenden Empfänger der staatlichen Grundsicherung von 2017 an steigen.
  • Der Paritätische Wohlfahrtsverband sagt: Die Bundesregierung müsste die Leistung auf 520 Euro erhöhen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Wie viel Hartz ist genug? Das Bundesarbeitsministerium hat lange gerechnet. Herausgekommen ist dabei ein mageres Plus: Von 404 auf 409 Euro soll der Regelsatz für einen allein stehenden Empfänger der staatlichen Grundsicherung von 2017 an steigen. Nun hat der Paritätische Wohlfahrtsverband nachgerechnet - und ist zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen: Danach müsste die Bundesregierung die Leistung auf 520 Euro erhöhen. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands, Ulrich Schneider, wirft dem Arbeitsministerium "ein Gemisch aus statistischer Willkür und finanzieller Nickeligkeit" vor.

Wie viel Geld die 6,1 Millionen Hartz-IV-Empfänger bekommen, hängt maßgeblich von Erhebungen des Statistischen Bundesamts ab. Alle fünf Jahre ermittelt die Behörde, wofür 60 000 Haushalte ihr Geld ausgeben. Bei dieser Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) geht es um etwa 200 Positionen wie Nahrungsmittel und Kleider. Nachdem die Ergebnisse der neuen EVS aus dem Jahr 2013 vorlagen, hatte das Ministerium im August 2016 seine Neuberechnung präsentiert.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband hält die Zahlen aus dem Arbeitsministerium jedoch für "methodisch nicht haltbar". So kommt es bei der Neuberechnung zum Beispiel darauf an, welche Vergleichsgruppe der nach Einkommen geschichteten Ein-Personen-Haushalte herangezogen wird. Schon Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) geriet in die Kritik, weil sie die einkommensschwächsten 15 Prozent heranzog, um den Hartz-IV-Satz für Alleinstehende zu ermitteln.

Pensionäre

Allein stehende Empfänger von Hartz IV erhalten künftig mehr Geld - 409 statt 404 Euro.

(Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa)

Zuvor hatten die unteren 20 Prozent als Basis gedient. Ein finanziell gewichtiger Unterschied, da die Gruppe der unteren 15 Prozent ein geringeres Einkommen hat als die unteren 20 Prozent der Haushalte. Diese von der Leyen'sche Rechenmethode hat nun auch das von der SPD-Politikerin Nahles geführte Ministerium übernommen. Allein dadurch fiele die Erhöhung um etwa 20 Euro niedriger aus, sagte Schneider.

Der Wohlfahrtsverband hat aber noch andere Kritikpunkte: So habe das Ministerium bei seiner Berechnung keine Ausgaben für Tabak und Alkohol berücksichtigt. Dies drücke den Regelsatz um weitere 17 Euro. Schneider hält dies für nicht fair, da bei der herangezogenen Haushaltsgruppe zum Beispiel nur 21 Prozent überhaupt Raucher seien.

Der Verband wirft dem Ministerium vor, fast ausschließlich das physische, aber nicht das soziokulturelle Existenzminimum im Blick zu haben. So sei der Besuch einer Gaststätte oder eines Imbisses praktisch nicht vorgesehen. "Die Logik dahinter ist: Hartz-IV-Empfänger brauchen nicht auszugehen", sagte Schneider. "Wer sogar Cent-Beträge für die chemische Reinigung, Grabschmuck oder Hamsterfutter streicht, hat sich vom Alltag der Menschen ganz offensichtlich längst verabschiedet." Das Diakonische Werk kam kürzlich zu einem ähnlichen Ergebnis: Der evangelische Sozialverband spricht sich sogar dafür aus, den Hartz-IV-Regelsatz auf 556 Euro zu erhöhen. Die Diakonie hält die Regierungszahlen ebenfalls für "unsachgemäß".

Laut der Analyse des Paritätischen Wohlfahrtsverbands gilt dies auch für die Berechnung der Hartz-IV-Leistungen für Kinder. Das Arbeitsministerium habe dafür das Ausgabeverhalten von 89 bis 243 Haushalten herangezogen. Solche Daten seien nicht statistisch belastbar. Eine Expertenkommission müsse daher die Regelsätze für Kinder überprüfen.

Schneider wies darauf hin, dass die SPD-Fraktion Ende 2010 ähnliche Forderungen wie der Sozialverband aufgestellt habe. Davon wolle Nahles heute allerdings nichts mehr wissen. Die vom Gesamtverband geforderten höheren Regelsätze würden allerdings auch Zusatzkosten für den Bund in Höhe von etwa acht Milliarden Euro jährlich bedeuten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: