Benzinpreise hoch wie nie:Ölindustrie wehrt sich gegen Vorwurf der Abzocke

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Tanken in Deutschland ist so teuer wie nie zuvor. Nach den Rekorden vom Wochenende bleiben die Spritpreise weiter auf hohem Niveau. Die Mineralölwirtschaft will von Abzocke nichts wissen - die Politik debattiert nur.

An den Zapfsäulen der Republik mussten sich am Wochenende vor allem die Sommerurlauber ärgern. Auf dem Weg in die Ferien zahlten sie beim Tanken so viel wie noch nie. Und wie so oft, wenn die Spritpreise steigen, entbrennt eine aufgeregte Debatte: Wer ist Schuld an den hohen Bezinpreisen? Und was kann man dagegen unternehmen?

Wie sich der Benzinpreis in Deutschland entwickelt hat. (Foto: N/A)

Die Mineralölwirtschaft weist den Vorwurf der Abzocke von sich. In keinem anderen Land sei Sprit so sehr durch hohe Steuern belastet. "Es wird nicht abgezockt, sondern in Deutschland haben wir vor Steuern ungefähr die niedrigsten Preise in ganz Europa", sagte der Hauptgeschäftsführer des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV), Klaus Picard, dem Nachrichtensender N24.

Zu Wochenbeginn haben die Tankstellen in Deutschland den Sprit erneut verteuert, nachdem sie die Preise am Sonntag leicht gesenkt hatten, teilte der ADAC mit. Super E10 kostete am Montag im bundesweiten Durchschnitt 1,691 Euro. Das waren 0,2 Cent mehr als am Tag zuvor und nur 0,1 Cent weniger als beim Allzeithoch am vergangenen Samstag. Diesel kostete mit 1,538 Euro sogar 0,8 Cent mehr als am Sonntag und 0,2 Cent mehr als am Samstag. Bis zum Rekordwert vom 22. März dieses Jahres fehlten damit nur 0,1 Cent.

60 Prozent Steueranteil am Benzinpreis

Der Steueranteil am Benzinpreis beträgt knapp 60 Prozent. Darin enthalten sind die Mehrwertsteuer und die Energiesteuer (früher Mineralölsteuer), in der seit 1999 auch die Ökosteuer enthalten ist. Von einem höheren Spritpreis profitiert der Staat dabei allerdings nicht, denn die Abgabe bemisst sich am Liter, nicht am Preis - sie bleibt immer gleich. Anders ist es bei der Mehrwertsteuer: Die beträgt 19 Prozent des Warenendpreises, im Juli lag sie bei 25,95 Cent/Liter.

Etwa 40 Prozent der Gesamterlöse fließen der Mineralölwirtschaft zu. Nach Angaben des Branchenverbandes MWV betrug der Preis, den die Industrie an der Ölbörse in Rotterdam zahlen musste, im Juli 59,77 Cent/Liter. Hinzu kommen weitere Kosten wie Transport oder Lagerung. Der MWV beziffert die Deckungskosten im Juli auf 11,37 Cent je Liter. Darin enthalten ist auch der Gewinn der Konzerne.

Grund für die aktuelle Entwicklung seien nicht die Ferien in Deutschland, sondern die gestiegenen Preise am Rohölmarkt, sagte der MWV-Sprecher Alexander von Gersdorff. "Der Rohölpreis als Basis des Benzinpreises ist schon seit mehreren Monaten in einer ständigen Aufwärtsbewegung." Der Ölpreis sei seit Ende Juni um mehr als 25 Prozent gestiegen, der Benzinpreis dagegen nur um zehn Prozent.

Keine politische Mehrheit für Abschaffung der Ökosteuer

Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn sieht nur wenig Handlungsspielraum für die Politik. "Derzeit sehe ich keine politische Mehrheit in Deutschland, die sich für eine Senkung oder Abschaffung der Ökosteuer stark macht", sagte der stellvertretende hessische Ministerpräsident.

Indirekt gab Hahn der Europäischen Zentralbank (EZB) Mitschuld an den Schwankungen des Spritpreises. "Wenn der Euro-Kurs sinkt, steigen die Kosten für den Einzelnen." Es sei daher wichtig, eine stabile Währung zu haben. Dazu sei die EZB verpflichtet. "Wenn diese unsolide Staatsanleihen europäischer Länder weiter aufkauft, riskiert sie diese Geldwertstabilität und trägt mit dazu bei, dass die Kosten für die Verbraucher, seien es Spritkosten oder Immobilien steigen."

Debatte um Verbot von Biokraftstoffen

Auch die Debatte um den Biokraftstoff E10 ist erneut entbrannt: Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) hatte wegen der weltweiten Nahrungsmittelknappheit gefordert, E10 wieder vom Markt zu nehmen. Mehrere Hilfsorganisationen schlossen sich seiner Forderung an.

MWV-Geschäftsführer Picard sagte der Bild-Zeitung: "E10 wird nicht abgeschafft, aber Ethanol aus Brotgetreide muss durch Alternativen ersetzt werden." Auch die Bundesregierung machte klar, dass sie trotz der hohen Getreidepreise derzeit keine Änderung ihrer Biokraftstoff-Strategie erwägt. Beim Preisanstieg von Agrarprodukten spielten Faktoren wie Ernteausfälle in den USA oder Bevölkerungswachstum eine Rolle, Biokraftstoffe aber nur "in einem eher geringeren Umfang", sagte ein Sprecher von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU).

Auch Niebel selbst will vorerst keine konkreten politischen Schritte zu einem E10-Verbot einleiten. "Wir führen erstmal eine spannende öffentliche Diskussion", sagte er.

© Süddeutsche.de/dpa/Reuters/dapd/bero - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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