Bau der Ostsee-Pipeline:Das Recht des Herings

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Die umstrittene Ostsee-Pipeline erhält die letzte deutsche Genehmigung. Jetzt stört nur noch der Hering. Denn es darf nur in den Zeiten gebaut werden, in denen er nicht laicht.

Michael Bauchmüller

Jetzt fehlen nur noch die Rohre, und eine klitzekleine Genehmigung aus Finnland: Dann kann die Ostsee-Pipeline nach fast fünfjähriger Planung tatsächlich in Bau gehen.

Heringsschwarm: In der Zeit zwischen Januar und Mai laicht der beliebte Speisefisch. In dieser Zeit darf die Ostseepipeline nicht gebaut werden. (Foto: Foto: dpa)

Am Montag gab auch die letzte deutsche Genehmigungsbehörde grünes Licht, das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie. Das Amt ist zuständig unter anderem für Projekte in der ausschließlichen Wirtschaftszone Deutschlands, also jenem Meeresbereich, der zwar nicht mehr Teil der deutschen Hoheitszone ist, aber der Bundesrepublik zur alleinigen Nutzung zugeschlagen wurde.

Erst vorige Woche hatte auch das Bergamt Stralsund der Verlegung der Pipeline durch das vorpommersche Küstenmeer zugestimmt. Eine letzte wasserrechtliche Genehmigung müssen jetzt noch finnische Behörden erteilen, sie wird "in Kürze" erwartet.

"Gut im Zeitplan"

Der Bau in der finnischen ausschließlichen Wirtschaftszone ist bereits genehmigt. "Wir liegen sehr gut im Zeitplan", sagt Matthias Warnig, Chef der Nord Stream AG mit Sitz im schweizerischen Zug. "Wir gehen davon aus, dass wir im Frühjahr 2010 mit dem Pipelinebau beginnen können." 2011 könnte dann erstes Pipeline-Erdgas aus Russland im Greifswalder Bodden anlanden, aus der ersten der beiden geplanten Trassen.

Lange sah es so aus, als könnten gerade Genehmigungsverfahren das ganze Projekt noch vereiteln. Vor allem in Schweden regte sich Kritik an dem Projekt. Fast zwei Jahre lang dauerten die Umweltprüfungen dort, erst im vorigen November gab Stockholm sein Plazet - womit der Bau schon jetzt um ein Jahr zurück liegt.

Auch zwangen immer neue Vorbehalte die Bauherren zu permanenten Umplanungen, sodass sich die Rohrleitung nun wie ein Bogen durch die Ostsee zieht, vom russischen Wyborg zum Ostseebad Lubmin bei Greifswald.

Fundamentaler Protest in Polen

In Dänemarks Hoheitsgewässern etwa sollte die Pipeline südlich der Insel Bornholm verlaufen. Da dort aber einst chemische Munition verklappt wurde, wechselte Nord Stream sicherheitshalber die Trasse: Statt im Süden sollte sie Bornholm im Norden umgehen - landete dort aber unter der Fahrrinne. Nun verläuft sie wieder im Süden der Insel, auch jenseits der Munitions-Deponie.

Noch fundamentaler war der Protest in Polen und den baltischen Ländern. Schließlich stellt die Pipeline eine Verbindung zwischen Russland und Deutschland her, lässt aber das Baltikum und Polen außen vor. Die estnischen Behörden versagten daraufhin komplett die Erlaubnis für ihr Küstenmeer.

Ergebnis: Nord Stream verlegte die Trasse aus der estnischen in die finnische Wirtschaftszone. Die Rohrleitung wurde in der Zwischenzeit länger und länger, am Ende wird sie rund 1220 Kilometer lang sein. Das sind gut 60 Kilometer mehr als die kürzeste Entfernung zwischen Wyborg und Lubmin.

200.000 Rohre

Nach jetziger Planung könnten die Arbeiten Mitte Mai beginnen, dann ist auch das letzte Hindernis vorübergehend aus dem Weg - der Hering. Weil der im Greifswalder Bodden im Frühjahr laicht, ist die Zeit zwischen Januar und Mitte Mai tabu. Mit anderen Worten: Hat der Bau im Frühjahr begonnen, darf er sich nicht mehr sehr verzögern - nach dem 31. Dezember 2010 kommen die Heringe wieder zu ihrem Recht.

Im Rügener Hafen Mukran laufen die Vorbereitungen deshalb schon seit Monaten. Tag für Tag bringen drei Güterzüge weitere Rohre dorthin; ein eigenes Werk ummantelt sie dort mit Beton. Dadurch erhalten sie genügend Gewicht, um vom Meeresboden nicht aufzusteigen. Insgesamt aus 200.000 Rohren soll dereinst die Ostsee-Pipeline zusammengesetzt sein, verlegt in zwei Spuren nebeneinander. Gelingt das Unterfangen, ist sie bis 2012 komplett fertig. Dann fehlt nur noch das Gas.

© SZ vom 29.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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