Bahn:Schnell auf der Schiene

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Die Volksrepublik baut Züge mithilfe von Siemens. Sie sehen aus wie die ICE-Modelle der Bahn und fahren mindestens genauso schnell. Je mehr Menschen in den Abteilen Platz haben, desto besser. Das ist in China wichtig.

Von Christoph Giesen, Peking

Sie sehen aus wie neusten ICE-Modelle der Deutschen Bahn und sie sind mindestens genauso schnell. Auch im Inneren der Züge erscheint vieles vertraut, die Toiletten sind an derselben Stelle und es gibt einen Speisewagen, in dem das Essen in der Mikrowelle erwärmt wird. Nur die Bestuhlung ist anders: Statt Tische und Abteile gibt es lediglich Großraumwagen, in denen möglichst viele Sitze untergebracht sind, allesamt sind sie in Fahrtrichtung ausgerichtet. Je mehr Menschen Platz finden, desto besser in China.

2660 Schnellzüge fahren jeden Tag durch die Volksrepublik, doch das reicht bei weitem nicht aus. Mit 16 000 Kilometern hat China das größte Hochgeschwindigkeitsnetz der Welt. Bis 2020 soll es auf 23 000 Kilometer anwachsen. Die Zugproduktion läuft daher auf Hochtouren, jeden Monat werden knapp 40 neue Züge hergestellt und ausgeliefert. Und viele davon sind die ICE-Cousins. Die Antriebstechnik stammt von Siemens, gefertigt werden die Züge als Lizenznachbau von einem chinesischen Hersteller. 700 Millionen Euro verdient Siemens so jedes Jahr mit dem Verkauf von Antriebstechnik, Motoren und Fahrwerken in China.

Während das Zuggeschäft in Europa lange Zeit schwächelte, ist es in China eines der erfolgreichsten Geschäfte von Siemens überhaupt, denn noch steckt viel Technologie von Siemens in den Zügen. Vor sechs Wochen jedoch sorgte Bahn-Vorständin Heike Hanagarth für Aufregung. Während eines China-Besuches sagte sie in einem Zeitungsinterview: "In drei bis fünf Jahren kann Asien und speziell China eine Schlüsselfunktion im Einkauf von Zügen und Ersatzteilen für die Deutsche Bahn erlangen."

Seit 2011 ist Müslüm Yakisan der Zugchef von Siemens in China und er betrachtet die Sache nüchtern: "Wer nicht in China verkauft, ignoriert einen bedeutenden Teil des Weltmarkts. Die Hälfte aller Züge weltweit werden in Volksrepublik abgesetzt. Bei Hochgeschwindigkeitszügen sind es sogar deutlich mehr als 50 Prozent", sagt er. Hätte Siemens China besser ignorieren sollen, um die eigene Technologie zu schützen? Der französische Hersteller Alstom ist in der Volksrepublik kaum vertreten, auch von Bombardier fahren nur wenige Schnellzüge in China. Nahezu jeder Hochgeschwindigkeitszug sieht entweder aus wie ein Siemens-Modell oder aber ein Zug des japanischen Herstellers Kawasaki, der den Shinkansen baut.

Seit einiger Zeit entwickeln die Chinesen tatsächlich eigene Hochgeschwindigkeitszüge. Völlig automatisch, wie derzeit noch vertraglich zugesichert, wird Siemens dann nicht mehr die Antriebe liefern. Yakisan ist trotzdem nicht bange: "Die chinesische Eisenbahnindustrie ist wie ein Katalysator, der uns antreibt, ständig technisch vorne zu liegen und auf Innovationen zu setzen", sagt er. Hat Siemens die besten Antriebe, werden die Chinesen sie zukaufen. Und Europa? Werden schon bald chinesische Konzerne in Deutschland oder in Frankreich mitbieten? "Darauf müssen sich alle europäischen Hersteller einstellen", sagt Yakisan. "Die chinesische Industrie wird es dann aber mit kleineren Volumina zu tun bekommen. Mal zehn Züge hier, fünf dort." Dimensionen, die in China unbekannt sind.

© SZ vom 15.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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