Bahn-Datenaffäre eskaliert:Tiefensee misstraut Mehdorn

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Hartmut Mehdorn auf dem Abstellgleis: Sein Vertrauen in den Bahnchef sei "nicht uneingeschränkt", sagte Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee im Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Auch die Gewerkschaften erhöhen den Druck auf den Konzernboss.

M. Bauchmüller u. K. Ott

Hintergrund des neuerlichen Unmuts sind Klagen der beiden Sonderermittler bei der Bahn, Herta Däubler-Gmelin und Gerhart Baum. Die beiden ehemaligen Minister sollen im Auftrag des Aufsichtsrats untersuchen, wer bei der Deutschen Bahn (DB) für die wiederholte Ausspähung der Belegschaft verantwortlich ist. In einem Brief an den Chef des Aufsichtsrats, Werner Müller, beklagten sie kürzlich, ihre Arbeit werde von der Bahn behindert. Vorstandschef Mehdorn wies dies zurück und äußerte seinerseits Zweifel an Professionalität und Unbefangenheit der beiden Sonderermittler.

Die Bahn hat Mitarbeiter bespitzeln lassen, das Vertrauen von Verkehrsminister Tiefensee in Bahnchef Mehdorn ist dahin. (Foto: Foto: ddp)

Tiefensee, der sich in der Affäre zuletzt öffentlich nicht geäußert hatte, bezeichnete Mehdorns Vorwürfe als "ungeheuerlich" und "in höchstem Maße ärgerlich". Es sei unzweifelhaft, "dass der Vorstand das Unternehmen in Sachen Datenschutz nicht professionell geführt hat". Verschiedene Vorgänge in den vergangenen Monaten erschütterten das Vertrauen in den Bahnchef. Für Rücktrittsforderungen sei es aber derzeit zu früh: "Wir sollten, auch wenn es schwerfällt, zunächst die Untersuchungen abwarten", sagte Tiefensee. Ergebnisse müssten noch im März vorliegen, forderte er.

Gewerkschaften pochen auf rasche Entscheidung

Auch die im Aufsichtsrat der DB vertretenen Bahngewerkschaften Transnet und GDBA drängen auf eine rasche Aufklärung und wollen notfalls Mehdorn stürzen. "Sollten die Untersuchungen weiter behindert werden, ist ein Rücktritt von Mehdorn unvermeidbar", sagte GDBA-Chef Klaus-Dieter Hommel der Süddeutschen Zeitung. Auf diese Position haben sich Transnet und GDBA in einem gemeinsamen Papier festgelegt.

Dadurch kommt Mehdorn, der seit seinem Amtsantritt bei der Bahn vor knapp zehn Jahren von den Gewerkschaften stets gestützt wurde, in eine heikle Lage. Die Gewerkschaften haben zusammen mit den SPD-Vertretern der Bundesregierung die Mehrheit im Aufsichtsrat und könnten somit Mehdorn absetzen. Die CDU hingegen steht vorerst weiterhin hinter dem Bahnchef. Sie hofft, im Falle einer schwarz-gelben Koalition nach der Bundestagswahl freie Hand zu haben, um seinen Posten dann möglicherweise neu besetzen zu können. Das Kontrollgremium trifft sich am 27. März. Diesen Samstag berät ein Ausschuss des Aufsichtsgremiums darüber, wie die Aufklärung der Datenaffäre vonstatten gehen soll.

Die Gewerkschaften müssten angesichts der jüngsten Vorgänge klarstellen, wie lange sie "den Bahnvorstand, insbesondere aber den Vorstandsvorsitzenden der DB AG, Hartmut Mehdorn, für die Fortsetzung der Aufgabe weiterhin für tragbar erachten", heißt es in einem Positionspapier der Gewerkschaften, das der SZ vorliegt. So müsse geklärt werden, ob der Bahnvorstand keine Ahnung hatte von den Datenscreenings, denen zwischen 1998 und 2007 nahezu alle Mitarbeiter unterzogen wurden. Eine weitere Behinderung der Sonderermittler würde eine "vertrauensvolle Zusammenarbeit" unmöglich machen, steht in dem Papier. Dagegen betonte ein Bahnsprecher, der Konzern habe "allergrößtes Interesse an einer zügigen Aufklärung".

Auch von der umstrittenen Privatisierung der Bahn rückte Tiefensee ab. "Aus meiner Sicht steht ein Börsengang nicht mehr auf der Agenda", sagte der Minister. "Er sollte auch in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr verfolgt werden." Dies solle so auch in das Wahlprogramm der Sozialdemokraten aufgenommen werden. Das Parteipräsidium will am Montag darüber beraten. Noch im vorigen Jahr hatte die Parteispitze für eine Teil-Privatisierung der Bahn gestritten, damals gegen breiten Widerstand der Parteibasis. Letztendlich war der Börsengang im Oktober wegen der Finanzmarktkrise gescheitert. Für den SPD-Wahlparteitag im Juni haben schon mehrere Delegierte Anträge angekündigt, die einen Stopp der Bahn-Privatisierung zum Ziel haben.

© SZ vom 14./15.3.2009/mel - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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