Deutsche Bahn:Aufsichtsrat will wissen, ob er ausgespäht wurde

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Noch mehr Arbeit für die Sonderermittler bei der Bahn: Sie sollen aufklären, ob neben der Belegschaft auch der Aufsichtsrat ausgeforscht wurde.

Klaus Ott

Die ehemaligen Bundesminister Gerhard Baum und Herta Däubler-Gmelin und die Wirtschaftsprüfgesellschaft KPMG, die als Sonderermittler bei der Deutschen Bahn (DB) tätig sind, haben schon jetzt viel zu tun. Sie untersuchen, wie das Staatsunternehmen seine Belegschaft ausgespäht hat und ob der Vorstand im Bilde war. 180 Zeugen sollen vernommen und 1150 Dokumente gesichtet werden.

Der Aufsichtsrat der Bahn will wissen, ob auch er ausgeforscht wurde - so steht es zumindest in einem Brief des Vorsitzenden der Bahngewerkschaft Transnet, Alexander Kirchner. (Foto: Foto: AP)

Wahrscheinlich sind noch mehr Vernehmungen nötig, und das Aktenstudium wird wohl noch umfangreicher ausfallen. Denn ein neuer Verdacht, dem ebenfalls nachgegangen werden soll, ist hinzugekommen: Der Aufsichtsrat will wissen, ob auch er ausgeforscht wurde. So steht es in einem Brief des Vorsitzenden der Bahngewerkschaft Transnet, Alexander Kirchner, an Baum und Däubler-Gmelin. Kirchner gehört dem Aufsichtsrat an.

Kirchner bezieht sich in seinem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Schreiben auf Äußerungen von Vorstandschef Hartmut Mehdorn. Der Konzernchef habe gegenüber dem Aufsichtsrat eingeräumt, dass die Bahn bei ihren internen Kontrollen nicht nur nach Hinweisen auf Korruption und Betrug gesucht habe. Mehdorn habe mitgeteilt, es sei auch um die "Weitergabe vertraulicher Informationen" aus dem Unternehmen an Außenstehende gegangen.

"Allen Hinweisen nachgehen"

"Dabei erwähnte Herr Mehdorn selbst, dass es sich hierbei auch um die Weitergabe von Aufsichtsratsunterlagen handelte", schreibt Kirchner. Möglicherweise seien also auch Aufsichtsräte in die internen Kontrollen der Bahn einbezogen worden, lautet der Verdacht des Gewerkschaftschefs. Kirchner bittet in seinem Schreiben an Baum und Däubler-Gmelin darum, das zu untersuchen. Ein Bahnsprecher sagte auf Anfrage, "die vom Aufsichtsrat eingesetzten Sonderermittler sollen selbstverständlich allen Hinweisen nachgehen".

Nach den Bahngewerkschaften hat inzwischen allerdings auch die Bundesregierung Zweifel, ob die Sonderermittler frei und unabhängig agieren können. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums sagte am Sonntag auf Anfrage, die Bundesregierung bestehe darauf, dass der Bahnvorstand alle Voraussetzungen für eine ungehinderte und rasche Untersuchung der Datenaffäre schaffe.

Dazu gehöre auch die Befugnis der Sonderermittler, "ohne direkte oder indirekte Kontrolle des Vorstandes Mitarbeiter der Bahn zu befragen" und diesen Zeugen unter Umständen auch Vertraulichkeit zuzusichern.

Die Bahn mischt sich ein

Die Personalvorstände der Bahn, Nobert Hansen und Margret Suckale, hatten in einem Brief an den Konzernbetriebsrat mitgeteilt, ein internes Projektteam der DB werde die Sonderermittler unterstützen. Die Projektegruppe werde von Wolfgang Schaupensteiner geleitet, dem Anti-Korruptionsbeauftragten der Bahn. Schaupensteiner gilt als Vertrauter von Mehdorn.

In dem Brief heißt es weiter, Schaupensteiners Projektgruppe werde Beschäftigte der Bahn, die als Zeugen aussagen sollten, "über die Gesprächsanfrage informieren". Die vom Aufsichtsrat zusammen mit Baum und Däubler-Gmelin eingeschaltete Wirtschaftsprüfgesellschaft KPMG und eine vom Bahnvorstand beauftragte Anwaltskanzlei sollten anschließend die Gespräche führen.

Diese Vorgehensweise wird aber von den Bahngewerkschaften und vom Verkehrsministerium abgelehnt. Ein Sprecher des Ministeriums sagte, die Bahn dürfe Baum und Däubler-Gmelin "nicht Knüppel zwischen die Beine werfen".

Ein Bahnsprecher erklärte, die Kritik gehe ins Leere. In dem Brief der Personalvorstände Hansen und Suckale würden die Rechte der Sonderermittler in keinster Weise relativiert oder gar beschnitten. Die KPMG hatte in einem Brief an den Aufsichtsrat erklärt, es gebe keinen Anlass, von einer "bewussten und gezielten Behinderung" durch die Bahn auszugehen.

Die Ex-Minister Baum und Däubler-Gmelin haben ihrerseits aber ebenfalls in einem Brief an den Aufsichtsrat mitgeteilt, sei seien mit den Vorgaben der Personalvorstände nicht einverstanden. Die beiden Ex-Minister erklärten, sie hielten das Schreiben der Personalvorstände für "außerordentlich problematisch". Die darin geschilderte Vorgehensweise sei für eine "zügige und unvoreingenommene Aufklärung kontraproduktiv". Man erwarte, dass der Bahnvorstand diese und andere Missstände unverzüglich beseitige.

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