Baden-Württemberg: EnBW:Ein hässliches Erbe

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Baden-Württembergs neue Landesregierung steht vor einem unlösbaren Problem: Sie will aus der Kernkraft raus. Dummerweise hat sie den Kernkraftkonzern EnBW am Bein. Verkaufen lässt der sich jetzt auch nicht mehr.

Michael Bauchmüller und Dagmar Deckstein

Die grüne Seite von EnBW ist schnell erzählt. Sie steht in der Ostsee, nicht weit vom Darß. Kürzlich drehten sich erstmals die Räder des Windparks Baltic 1, mit knapp 50 Megawatt Leistung sollen sie demnächst Strom ins Netz von Mecklenburg-Vorpommern einspeisen. Dann gibt es noch Wasserkraft am Rhein - und dann lange nichts. Was der neue grüne baden-württembergischen Ministerpräsident Winfried Kretschmann an der "Energie Baden-Württemberg" groß anfangen soll - schwer zu sagen. Aber eigentlich egal.

EnBW: Ein Unternehmen mit ein paar Steinkohlekraftwerken, zwei Kernkraftwerken, die die Grünen bis 2017 auch noch abschalten wollen, und einer bislang nur marginalen Sparte erneuerbarer Energien. (Foto: REUTERS)

Denn die Grün-Roten können es sich nicht aussuchen, sie stehen nun mit einem 45-Prozent-Anteil an einem Atomkonzern da. Kretschmanns Vorgänger Stefan Mappus (CDU) hatte den Anteil im vorigen Dezember für 4,7 Milliarden Euro gekauft, angeblich zur Abwehr ausländischer Investoren. Selbst in den eigenen Reihen galt das Manöver seinerzeit als riskant. So kurz vor der Wahl wollte aber niemand dem eigenen Ministerpräsidenten in den Arm fallen.

Kauf auf Pump finanziert

Nun erbt sein Nachfolger die Probleme, und sie wiegen für ihn doppelt schwer. Konnte Mappus mit der Atomkraft noch etwas anfangen, wollen die Grünen sie möglichst schnell loswerden. Unter dem Eindruck der Katastrophe in Japan hatte EnBW schon freiwillig auf den Meiler Neckarwestheim 1 verzichtet, er galt ohnehin als wenig rentabel. Nun dürfte auch noch Philippsburg 1 folgen. Er zählt ebenfalls zu den sieben ältesten AKWs, die kurzfristig vom Netz gehen mussten, nachdem die Bundesregierung ihre eigene Atompolitik zur Disposition stellte. Es gilt als unwahrscheinlich, dass der ältere der beiden Philippsburg-Blöcke jemals wieder Strom produzieren wird. Damit bleiben nur noch zwei - deutlich jüngere - Blöcke in Baden-Württemberg erhalten. Rund die Hälfte ihres Stroms erzeugt die EnBW mit Kernkraftwerken. Und die wird nun halbiert.

Die designierte, atomkritische Landesregierung könnte das freuen, es reißt aber gleich das nächste Problem auf. Denn den Erwerb finanzierte das Land seinerzeit mit Krediten; die Dividenden sollten die Mittel für Zins und Tilgung wieder einspielen. Doch mit der vorzeitigen Abschaltung ändert sich auch das Geschäftsmodell der EnBW - es wird weniger rentabel. Die Landesbank Baden-Württemberg taxierte den Wertverlust auf bis zu 30 Prozent, sollte der Ausstieg aus der Kernkraft beschleunigt werden. Wenn ein Drittel wegfällt, wird es für die Finanzierung der 4,7 Milliarden Euro eng. Käufer für den Anteil werden sich unter diesen Bedingungen auch nicht mehr finden lassen - jedenfalls nicht zu einem Preis, der auch nur annähernd die Auslagen des Landes wieder einspielt. Schlimmer noch: Aufgrund aktienrechtlicher Vorgaben musste das Land den übrigen Aktionären - mit Ausnahme des anderen Großaktionärs OEW - auch ein Übernahmeangebot unterbreiten, Preis je Aktie: 41,50 Euro. Sollten alle zuschlagen, wären weitere 1,04 Milliarden Euro fällig. Nächste Woche Mittwoch läuft das Angebot aus.

Was bleibt, ist ein Unternehmen mit ein paar Steinkohlekraftwerken, zwei Kernkraftwerken, die die Grünen bis 2017 auch noch abschalten wollen, und einer bislang nur marginalen Sparte erneuerbarer Energien. Sehr zukunftsfähig ist das nicht. Mit Pech steigt EnBW bald endgültig ab in die Zweite Liga der deutschen Energieversorgung. "Ich schätze die Positionierung der EnBW als sehr schwierig ein", sagt der CDU-Wirtschaftspolitiker Joachim Pfeiffer. "Das Geschäftsmodell ist optimierbar."

Bloß wie? Schon im Februar, noch vor der Katastrophe in Japan, musste EnBW-Chef Hans-Peter Villis die Investitionsplanung kürzen. Bis 2013 würden 2,8 Milliarden Euro weniger investiert, kündigte Villis an. Lauter Vorhaben, die neue Märkte und Erzeugungskapazitäten für den Konzern hätten erschließen können. Der Umbau in ein Unternehmen mit einer starken Öko-Sparte, wie er der künftigen Landesregierung vorschwebt, wird jedenfalls nun deutlich schwerer zu stemmen sein. "Mit dem überteuerten EnBW-Erwerb hat Mappus Grün-Rot eine schwere Hypothek hinterlassen", sagt die Freiburger Grünen-Abgeordnete Kerstin Andreae. Die Zukunftsaussichten von EnBW seien "unterdurchschnittlich", der Preis dafür viel zu hoch.

Zunächst aber muss die neue Landesregierung ihren Einfluss auf den Konzern sichern - über den Aufsichtsrat. Da gibt es den ersten Konflikt. Zum Ärger von Kretschmann hat Mappus noch vor der Landtagswahl Fakten geschaffen, indem er zwei Minister als Kandidaten für das Kontrollgremium benannte: Justizminister Ulrich Goll (FDP) und Staatsminister Helmut Rau (CDU). Die Hauptversammlung, auf der der Aufsichtsrat gewählt werden soll, ist am 19. April, die neue Landesregierung konstituiert sich aber erst am 12. Mai. "Es muss gewahrt bleiben, dass die neue Regierung die Aufsichtsräte benennen kann", moniert Kretschmann. Er, der mit Mappus gut kann, will jetzt mit ihm darüber reden. Ansonsten wird es schwierig für die neue Regierung mit der EnBW-Kontrolle.

© SZ vom 30.03.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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