Automarkt Nordamerika:Womit VW auf dem US-Markt kämpft

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Diese Passat-Fahrzeuge in einem Autohaus in Chicago bleiben erst einmal, wo sie sind. VW hat den Verkauf gestoppt. (Foto: Scott Olson/AFP)
  • Der Automarkt in Nordamerika ist ganz anders als in Europa, das gilt auch für die Frage des Kraftstoffes.
  • Der Anteil der neu zugelassenen Diesel-Fahrzeuge liegt in den USA bei gerade einmal einem Prozent.
  • Dominiert wird der kleine US-Dieselmarkt von der deutschen Autoindustrie. Der jetzige Skandal trifft damit nicht nur Volkswagen, sondern beschädigt womöglich auch die Konkurrenz.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Vor ein paar Wochen verlebte Martin Winterkorn im fernen New York einmal ein paar gänzlich unbeschwerte Stunden. Bei einer Feier im weltberühmten Museum of Modern Art (MoMA) überschüttete ihn Direktor Glenn Lowry derart mit Höflichkeiten, dass aller Ärger und Führungsstreit im größten deutschen Autokonzern für einen Moment in den Hintergrund rückten. Die Kooperation mit dem Großsponsor Volkswagen sei eine wahre Freude, schwärmte Lowry, und der Chef des Großsponsors entgegnete ebenso höflich, wenn auch etwas dröger, so wie VW für das Auto stehe, sei das MoMA das Museum.

" Das Auto". VW gilt in den USA so sehr als Inbegriff von Qualität und deutscher Ingenieurskunst, dass es sich der Konzern erlauben kann, mit einem Slogan in fremder Sprache für sich zu werben. Umso mehr trifft ihn der Skandal um manipulierte Abgaswerte jetzt ins Mark: Das Unternehmen droht in Amerika sein höchstes Gut zu verspielen - seine Glaubwürdigkeit.

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Der Automarkt in Nordamerika ist in vielerlei Hinsicht ein gänzlich anderer als in Europa, das gilt nicht zuletzt auch für die Frage des Kraftstoffes. Während auf dem VW-Heimatkontinent mehr als die Hälfte aller neu zugelassenen Wagen Diesel-Fahrzeuge sind, liegt ihr Anteil in den USA bei gerade einmal einem Prozent. Kein Wunder: Nicht nur, dass die Autos mehr kosten, auch der Kraftstoff ist wegen des fehlenden Steuervorteils teurer als Benzin.

Wer sich also für einen Diesel entscheidet, der tut das aus Überzeugung und in der Erwartung, ein überdurchschnittlich gutes Auto zu bekommen - und ein überdurchschnittlich umweltfreundliches: Die Hersteller nämlich brüsten sich nicht nur mit der Durchzugskraft ihrer Motoren, sondern auch mit ihrer Kompetenz, den einst als Dreckschleuder verpönten Dieselsprit mit Hilfe modernster Verfahren in eine Art grünen Kraftstoff verwandeln zu können. Dominiert wird der kleine, aber feine US-Dieselmarkt von der deutschen Autoindustrie. Der jetzige Skandal trifft damit nicht nur Volkswagen, sondern beschädigt womöglich auch die Konkurrenz.

Wie sehr das Image von Volkswagen bereits leidet, zeigen die ersten Aussagen von Experten. "Es stellt sich die Frage, ob die VW-Technologie wirklich so ausgereift ist, wie wir alle gedacht haben", sagte Karl Brauer, Analyst beim Branchendienst Kelly Blue Book, der New York Times.

480 000 Fahrzeuge müssen nun wohl nachgerüstet werden

Der Skandal kommt auch deshalb zur Unzeit, weil Volkswagen in den USA bereits mit Problemen kämpft. Experten werfen VW vor, sich bei der Modellpolitik zu sehr auf die Wünsche der europäischen Kunden konzentriert und den wichtigen Markt Nordamerika vernachlässigt zu haben. Das Ergebnis: Volkswagen hat zwar jüngst Toyota wieder als größten Autohersteller der Welt überholt. In den USA aber sind die Japaner weiterhin ungleich stärker.

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Insgesamt verkaufte Volkswagen allein im August gut 32 000 VW-Modelle in den USA, knapp ein Viertel davon waren Diesel-Pkw. Von dem jetzigen Skandal sind Jetta, Beetle, Passat und Golf sowie der Audi A3 betroffen. Ihren Verkauf hat die Konzernzentrale in Wolfsburg jetzt vorläufig gestoppt. Nach Angaben der US-Umweltbehörde Epa müssen sich die Besitzer der insgesamt rund 480 000 betroffenen Fahrzeuge darauf einstellen, dass ihre Autos im Laufe der nächsten 15 Monate in einer VW-Werkstatt nachgerüstet werden müssen. Bezahlen müssen sie dafür nichts.

Die Reparaturkosten könnten sich für VW aber noch als das kleinste Problem erweisen, denn dem Konzern droht - sollten sich die Vorwürfe als zutreffend erweisen - zudem eine horrende Geldstrafe: Theoretisch kann das US-Justizministerium pro betroffenem Wagen eine Buße von bis zu 37 500 Dollar verhängen. Das entspräche der unglaublichen Summe von 18 Milliarden Dollar.

© SZ vom 22.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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