Autoindustrie:Marchionnes Absatzblase

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Der Glanz ist weg: Die Aktie von Fiat Chrysler verliert an Wert. (Foto: Chris Ratcliffe/Bloomberg)

Oft hatte Sergio Marchionne über VW hergezogen, nun hat er seinen eigenen Skandal: Der Autobauer Fiat Chrysler soll seinen Absatz in den USA künstlich aufgebläht haben. Auch gegen einen deutschen Hersteller gibt es Vorwürfe.

Von Claus Hulverscheidt, New York

Als der Wolfsburger Autobauer VW im vergangenen September in den mittlerweile bekannten Strudel aus manipulierten Abgastests, Kundenbetrug und staatlichen Ermittlungen geriet, da ließen sich unter den Wettbewerbern in aller Welt zwei Verhaltensmuster beobachten. Es gab Vorstandschefs, die sich bewusst zurückhielten - wohl wissend, dass der nächste Skandal auch sie selbst treffen kann. Und es gab jene, die die Chance nutzten, dem am Boden liegenden Konkurrenten noch einmal einen kräftigen Fußtritt zu verpassen. Sergio Marchionne, der hemdsärmelige Regent des italienisch-amerikanischen Konglomerats Fiat Chrysler (FCA), gehörte zur zweiten Gruppe.

Ganze zehn Monate nach Auffliegen des Skandals wünscht sich Marchionne wohl, er hätte den Mund gehalten. Fiat Chrysler nämlich musste jetzt einräumen, dass das US-Justizministerium und die Börsenaufsicht SEC gegen den Konzern ermitteln. Der Grund: Regionalmanager sollen Händler mit Geldprämien dazu gedrängt haben, künstlich aufgeblähte Verkaufszahlen nach oben zu melden. Die Erfolgsberichte aus den USA, mit denen Fiat Chrysler jahrelang zu beeindrucken wusste, könnten damit zumindest fehlerhaft gewesen sein.

Der Konzern muss sich Sorgen machen wegen der Ermittlungen der Börsenaufsicht SEC

Entsprechend reagierte die Börse: Die FCA-Aktie büßte am Dienstag zeitweise gut drei Prozent ein und rutschte unter die Sechs-Euro-Marke. Seit August hat das Papier 40 Prozent an Wert verloren, der siebtgrößte Autohersteller der Welt ist damit gerade einmal noch 7,7 Milliarden Euro wert.

Sorgen muss sich Marchionne vor allem wegen der Ermittlungen der SEC machen, die selbst kleinere Fälle von Wertpapierbetrug streng ahndet. Hinzu kommt, dass die beiden Händler aus der Region Chicago, die die Untersuchung ins Rollen brachten, von der als sehr aggressiv geltenden Anwaltskanzlei Hagens Berman Sobol Shapiro aus Seattle vertreten werden. Der Sozietät zufolge hat die Bundespolizei FBI bereits die Wohnhäuser von neun FCA-Regionalmanagern in den USA durchsucht, die im Verdacht stehen, Händler zur Aufblähung der Absatzzahlen animiert zu haben. In einem Fall soll ein Manager aus Illinois einem Händler 20 000 Dollar dafür überwiesen haben, dass dieser 40 Autos als verkauft meldete, die er gar nicht verkauft hatte. Im Folgemonat wurden die angeblichen Verkäufe dann rückabgewickelt.

Nach einem Bericht der Agentur Bloomberg steht auch der Autobauer BMW im Verdacht, seinen Absatz gelegentlich zu schönen. Allerdings sind die Vorwürfe weniger gravierend, weil die Münchner Verkäufe nicht einfach erfunden haben. Vielmehr soll der Konzern seinen Händlern im vorigen Dezember eine Prämie von 1750 Dollar für jedes Auto gezahlt haben, das sie zusätzlich als Werkstatt-Ersatzwagen für ihre sogenannte Service-Flotte kaufen. Mit Hilfe des Tricks, so Bloomberg, gelang es BMW, die Position als Nummer eins im US-Luxussegment 2015 knapp gegen Lexus zu verteidigen.

© SZ vom 20.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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