Autoindustrie:Der Diesel-Fahrer soll zahlen

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Diesel ist an deutschen Tankstellen nach wie vor billiger als Benzin - aus steuerlichen Gründen. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Ein Experte schlägt vor: Die Pkw-Umrüstung könnte durch die Abschaffung des Steuerprivilegs finanziert werden. Unter dem Strich blieben dadurch acht Milliarden Euro - das Geld könnte sinnvoll investiert werden, heißt es.

Von Joachim Becker, München

Was kostet saubere Luft in den Städten? Die deutschen Autohersteller haben angeboten, mehr als fünf Millionen Euro-5-Diesel per Software-Update nachzurüsten. Viele Experten sind allerdings skeptisch, dass die Luftqualität dadurch merklich besser wird. Jetzt hat Ferdinand Dudenhöffer einen weiter gehenden Lösungsansatz präsentiert. Der Leiter des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen schlägt vor, die verbleibenden zehn Millionen Dieselfahrzeuge mit einem Reinigungs-Katalysator auszurüsten. Geschätzte Kosten pro SCR-Kat, der die kritischen Stickoxide eliminiert: etwa 2000 Euro. Finanzieren will Dudenhöffer die 20 Milliarden Euro durch Steueränderungen.

Betroffen wären die Fahrer von Dieselfahrzeugen, die seit langem von Steuervorteilen profitieren: Dieselkraftstoff wird pro Liter mit 18 Cent weniger Steuer belastet als Ottokraftstoff. Entsprechend geringer fällt die Mehrwertsteuer aus, die auf den Spritpreis erhoben wird. Würde das Diesel-Privileg fallen, ergibt sich nach Dudenhöffers Berechnungen ein Steuerplus von 9,88 Milliarden Euro. Aufgrund des geringeren CO₂-Ausstoßes ist die Kfz-Steuer beim Diesel niedriger. Würde diese Steuer für Benziner auf Diesel-Niveau gesenkt, ergäbe sich in Dudenhöffers Modell ein Steuerausfall von 1,8 Milliarden Euro. Unter dem Strich blieben damit aber Steuermehreinnahmen von rund acht Milliarden Euro übrig.

Dudenhöffer will diese Förderung in die Nachrüstung umlenken. Er befürwortet einen 2000-Euro-Gutschein für jedes Dieselfahrzeug, der auch ausbezahlt wird, wenn das Altauto verschrottet wird. Seiner Rechnung zufolge ließe sich die Nachrüstaktion innerhalb von 2,5 Jahren finanzieren. In den folgenden Jahren könnten mit den überschüssigen acht Milliarden Euro jährlich der Aufbau einer Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge finanziert werden.

Am Sinn des Steuerprivilegs für Diesel-Kraftstoff zweifeln viele Marktbeobachter. Es stammt aus einer Zeit, als Dieselfahrzeuge als umweltfreundlich galten. In der Klimabilanz schneiden Elektrofahrzeuge mittlerweile besser ab. Deshalb erscheint ein Umsteuern der Politik sinnvoll. Die Zeche zahlen müssen aber die Käufer von Dieselfahrzeugen und nicht die Autohersteller. Gerade die Besitzer von relativ jungen Euro-5-Fahrzeugen sehen sich mit deutlichen Wertverlusten konfrontiert. Daran würde eine Nachrüstung nur wenig ändern. Denn ohne umfangreiche Testläufe mit jeder Modellvariante kann niemand für ein Nachrüstsystem garantieren, das tief in die komplexe Abgasreinigung eingreift. Außerdem ist Dudenhöffers Zahl von zehn Millionen nachrüstbaren Dieseln viel zu hoch angesetzt. Denn erst ab Euro-5-Norm, die seit 2009 gilt, sind die technischen Voraussetzungen für eine Nachrüstung gegeben.

© SZ vom 08.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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