Abgas-Tests:Daimler: Plus in der Bilanz, Dreck im Auspuff

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Mit den Autoverkäufen läuft es bei Daimler gut - mit den Abgaswerten eher weniger. (Foto: dpa)
  • Daimler hat im vergangenen Jahr seinen Umsatz um 15 Prozent und seinen Gewinn vor Steuern und Zinsen gesteigert.
  • Allerdings liegen bei dem Autokonzern auch die aktuell bekannt gewordenen Abgaswerte einiger Diesel-Modelle ziemlich weit oben.
  • Daimler beteuert jedoch, keine unzulässige Software eingebaut zu haben und nicht "wie VW zu sein".

Von Joachim Becker, Thomas Fromm, Max Hägler und Klaus Ott

Wenn der Autokonzern Daimler an diesem Donnerstag seine Geschäftszahlen vorlegt, wird vieles wieder so sein wie in den vergangenen Jahren, und manches noch besser. Ein Rekordabsatz von knapp zwei Millionen verkauften Autos, ein Umsatzplus von 15 Prozent auf 149,5 Milliarden Euro. Unterm Strich verdiente der Autokonzern 8,6 Milliarden Euro - fast ein Viertel mehr als im Vorjahr. Der Mercedes-Stern in Stuttgart, das Markenzeichen des Konzerns, strahlt heller und heller. Vorstandschef Dieter Zetsche darf sich freuen. Daimler ist mit seinen Modellen gut unterwegs.

Das Problem ist nur: Bei Daimler liegen nicht nur die Gewinnzahlen ziemlich weit oben, sondern auch die aktuell bekannt gewordenen Stickoxid-Werte einiger Dieselautos. Niederländische Messergebnisse, die im Auftrag des dortigen Umweltministeriums bei der Mercedes C-Klasse 220 CDi ermittelt wurden, lassen den schwäbischen Autokonzern schlecht aussehen. So schlecht, dass die Deutsche Umwelthilfe (DUH) jetzt das Mercedes-Modell C220CDi Blue Tec von der Straße verbannen will und vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) den Entzug der Typengenehmigung für die C-Klasse fordert. Das besagte Modell stoße deutlich mehr Stickoxide aus, als dies erlaubt sei. Nun müsse nun geprüft werden, ob das Fahrzeug mit einer illegale Vorrichtung zur Manipulation von Abgastests ausgestattet sei.

Daimler streitet Einsatz einer Schummel-Software ab

Die DUH erhebt, anders als manch andere Umweltorganisation, sehr schnell und sehr gerne heftige Vorwürfe, nun schon zum wiederholten Mal gegen Daimler. Das bringt Schlagzeilen, führt aber auch zu heftigen Gegenreaktionen. Der Stuttgarter Konzern will erst gar nicht den Verdacht aufkommen lassen, es gebe Parallelen zur Abgas-Affäre bei Volkswagen. Ein Konzernsprecher sagt, "wir widersprechen auf das Schärfste" der DUH.

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Daimler habe in seine Fahrzeuge keine unzulässige Software eingebaut, die dazu führe, dass auf dem Prüfstand weit weniger Abgase ausgestoßen würden als auf der Straße. Das soll heißen, Daimler sei nicht VW. Der Wolfsburger Autokonzern hatte eine solche Software weltweit in elf Millionen Diesel-Fahrzeuge eingebaut und hat deshalb nun viel Ärger mit Regierungen, Behörden und Staatsanwaltschaften. Vor allem in den USA, aber auch in Europa und anderswo.

Die Werte auf der Straße liegen häufig über denen auf dem Prüfstand

Bei Daimler gibt es bislang keine Erkenntnisse über eine illegale Software, aber jetzt eben Erkenntnisse über hohe Stickoxidwerte. Juristisch hat der Stuttgarter Autokonzern wohl keinen Dreck am Stecken. Aber dafür reichlich Dreck im Auspuff.

Ein Widerspruch? Nein. Jahrelang haben Regierungen und Behörden in Europa akzeptiert, dass die tatsächlichen Abgaswerte auf der Straße in der Regel um ein Vielfaches über den Testergebnissen liegen, die auf dem Prüfstand ermittelt werden. Wegen des laxen Umgangs mit der Umweltverschmutzung beim Straßenverkehr brauchten die Autokonzerne in Europa keine illegale Software, um trotz hoher Schadstoffwerte die begehrten Zulassungen für ihre Modelle zu erhalten. Nur VW war, so sieht es bisher aus, offenbar so dumm, in Europa trotzdem eine solche Software einzusetzen. Erst jetzt, unter dem Eindruck der VW-Affäre, will die EU die Umweltbelastung senken.

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Als im September vergangenen Jahres erst in den USA und dann auch in Europa die VW-Manipulationen aufgeflogen waren, hatte Daimler-Chef Zetsche für seinen Konzern gleich Entwarnung gegeben. "Ich habe eine grobe Vorstellung, worum es geht und dass das auf uns nicht zutrifft, nicht übertragbar ist." Später äußerte sich Zetsche noch deutlicher: "Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Abgaswerte manipuliert."

In den Niederlanden hatte man es schon vor der VW-Affäre ganz genau wissen wollen; deshalb hatte das dortige Umweltministerium ein Prüfinstitut mit Abgastests bei 16 Fahrzeugen beauftragt. Die Ergebnisse wurden erst jetzt bekannt.

Mit dabei: Die Mercedes C-Klasse 220 CDi, die angeblich sauber war. Auf dem Prüfstand, also unter künstlichen Bedingungen im Labor, hatte diese Variante der C-Klasse das gesetzliche Stickoxid-Limit (NOx) eingehalten. Doch bei den niederländischen Nachmessungen auf der Straße und ausgerechnet bei Geschwindigkeiten, die innerorts üblich sind, stieß der Wagen mehr als das Zehnfache des Normwerts aus. Die Prüfer vermuteten unterschiedliche "NOx-Reduzierungsstrategien". Das klingt harmlos, ist es aber nicht.

Daimler-Trickserei erinnert an VW-Methode

Die DUH geht nun bei der C-Klasse von einer speziellen Software ("defeat device") aus, mit der sich der Abgasausstoß illegal verändern lasse, eben so wie bei Volkswagen. Daimler dagegen spricht von einem Bauteilschutz: "Fahrzeuge von Mercedes-Benz entsprechen in vollem Umfang den jeweils zum Zeitpunkt der Zulassung geltenden, landesspezifischen Vorschriften." Die Abweichungen zwischen den offiziell erlaubten und zertifizierten Abgaswerten und dem tatsächlichen Schadstoffausstoß auf der Straße seien "kein Hinweis auf Manipulationen". Sondern resultierten in erster Linie aus "Rahmenbedingungen, die vom gesetzlich vorgeschriebenen Normzustand im Labor abweichen."

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Die Fahrzeughalter werden in den kommenden Tagen angeschrieben. Allerdings geht es vorerst nur um zwei Modelle.

Wie das zu verstehen ist? Ganz einfach, jedenfalls nach Darstellung von Daimler: Sobald sich das Fahrzeug außerhalb des rund 25 Grad Celsius warmen Prüflabors befindet, wird die Abgasnachbehandlung "flexibel geregelt, um den Motorschutz und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten".

1400 Sekunden minimaler Ausstoß

Das wiederum erinnert doch ein klein wenig an VW und dort an einen Vorgang, der nach Beginn des großen Affäre auch der Ingolstädter Tochtermarke Audi zu schaffen machte. Bei 2.0-Liter-Motoren, die von Audi entwickelt in unterschiedlichen Modelle eingebaut worden waren, fiel eine "verdächtig erscheinende" Software (O-Ton Audi) auf. Eine "computergestützte Zeitschaltuhr", die eigentlich explizit hätte genehmigt werden müssen. Diese regelt, teilte Audi seinerzeit mit, die Verbrennung im Motor. Ziel: Direkt nach dem Start des Motors sollte nicht zu viel Stickoxid entstehen, weil der Katalysator zum Reinigen der Abgase noch kalt und noch nicht voll funktionstüchtig war. Diese Steuerung des Abgasausstoßes zum (angeblichen) Schutz des Katalysators schaltete sich nach 1400 Sekunden ab, oder wenn der Kat auf 200 Grad Celsius erhitzt war.

1400 Sekunden minimaler Abgasausstoß, das war nur wenig mehr, als der durchschnittliche Prüfstandslauf in den USA dauerte. Die US-Behörden befanden, dass es sich um Betrug handeln müsse. Die Reaktion bei Audi in Ingolstadt sah dann so aus: Die Technologie sei notwendig, um den Motor zu schützen, aber man räume ein, dass man das zumindest nicht ausreichend dokumentiert habe. Und ja, diese Motor-Steuerung sei "ungesetzlich".

Daimler hingegen beteuert, man habe alle Motor-Steuerungen bei den Behörden angemeldet, alles sei zugelassen. Nichts illegales. Beim Neujahrsempfang von Daimler brach Dieter Zetsche sogar mit einem Tabu: Er kritisierte offen die Unternehmenskultur bei VW, obwohl Branchenschelte unter den Großen eigentlich nicht zum guten Ton gehört. "Bei der VW-Affäre bleibt uns leider nichts anderes übrig", weil diese Auswirkungen auf die ganze Autobranche habe. Zetsche sagte, wenn bei Daimler jemand auf die Idee käme, zu manipulieren, dann würden das dessen Kollegen verhindern. Dann würde es im Betrieb heißen: "So was wollen wir nicht tun, so was tun wir auch nicht."

© SZ vom 04.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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