Atomkraft:Theresa May könnte gerade die Atomkraft begraben haben

FILE - EDF's Nuclear Power Plant Set To Get Final Investment Approval Anti Nuclear Protesters Demonstrate Outside Hinkley Point Nuclear Power Station

Ironischerweise sind es nicht die Atomkraftgegner, die der Technologie nun den Todesstoß versetzen - sondern die, die zu lange an ihr festgehalten haben.

(Foto: Matt Cardy)

Großbritanniens Premierministerin stoppt den Bau zweier Kernreaktoren, die die britische Regierung seit Langem wollte. Verrückter geht es kaum.

Kommentar von Karl-Heinz Büschemann

Durchaus möglich, dass Theresa May, die neue britische Premierministerin, als die Frau in die Geschichte eingehen wird, die der Atomenergie den entscheidenden Hieb versetzte. Sie würde damit ein Werk vollenden, das Angela Merkel vor fünf Jahren mit der Verkündung einer nationalen Energiewende in Deutschland begonnen hatte.

Am Donnerstag hat sich in der Atomwirtschaft etwas Erstaunliches ereignet: Der staatliche französische Stromversorger EdF hat nach jahrelangem internem Streit beschlossen, das Atomkraftwerk Hinkley Point in England von zwei auf vier Reaktoren zu erweitern. Das Besondere daran: Die britische Regierung wollte dies seit Langem, obwohl selbst viele EdF-Manager der Meinung waren, das Projekt berge ein so hohes finanzielles Risiko, dass es die Zukunft des gesamten Konzerns gefährde. Aber kurz nach dem EdF-Beschluss vom Donnerstag winkte Theresa May ab. Das Projekt sei verschoben. Man brauche Zeit zum Nachdenken. Verrückter geht es kaum.

Hinkley Point gilt als wirtschaftlicher Wahnsinn

Hinkley Point war für viele ein Symbol. Von der britischen Westküste sollte das Signal ausgehen, dass die Atomenergie auch nach Tschernobyl oder Fukushima noch eine Zukunft hat. Diese Hoffnung, die viele lange nicht aufgeben wollten, speiste sich aus dem Vorteil, dass sie kein Kohlendioxid freisetzt und damit nicht zum Klimawandel beiträgt. Der Staatskonzern EdF erhoffte sich von dem britischen Projekt, eine Technologie fortzuentwickeln, die ihr zuletzt kaum noch Aufträge einbrachte.

Mit der Verschiebung von Hinkley Point durch die Regierung May hat diese Hoffnung einen Dämpfer erlitten. Die Briten befürchten, das Projekt werde viel zu teuer, der Strom aus den neuen Reaktoren lasse sich nur absetzen, wenn er massiv subventioniert werde. Anders gesagt, Hinkley Point gilt ihnen als wirtschaftlicher Wahnsinn.

Diese Einschätzung ist richtig. Das Projekt birgt gewaltige Risiken. Es würde nach heutigen Schätzungen kaum fassbare 22 Milliarden Euro kosten. Wahrscheinlich würde es noch teurer. Die möglichen Gefahren der Atomkraft schlagen sich nach sechs Jahrzehnten der Erfahrung in extrem hohen Kosten nieder. Unter solchen Bedingungen Strom zu erzeugen ist ökonomisch kaum noch zu rechtfertigen.

Die Atomkraft stößt an Grenzen

Dass dennoch in der Welt gerade 62 Atomkraftwerke gebaut werden, liegt daran, dass große Schwellenländer wie China oder Indien hohen Energiebedarf haben, aber noch keine Technologie besitzen, ihren Strom ohne Schäden für das Klima zu erzeugen. China, das an 20 Meilern baut, tut das nicht, weil die Atomenergie so billig oder so leicht zu handhaben wäre, sondern weil das Land alle Möglichkeiten erforschen will, um seine Versorgung mit Energie zu sichern. Deshalb wollte sich ein chinesischer Staatskonzern auch am Bau von Hinkley Point mit einem Drittel beteiligen.

Die Atomkraft stößt wirtschaftlich an Grenzen. Vieles spricht dafür, dass die britische Regierung das Projekt eines Tages ganz begraben wird, weil inzwischen bessere Möglichkeiten entstehen, Strom zu erzeugen. Die Ironie an der Geschichte ist, dass nicht politische Atomgegner dieses Fanal setzten. Das erledigten die Atom-Befürworter nun selbst: Die Regierung in Paris mit ihrem EdF-Konzern, Teile des Managements dort sowie all jene britischen Regierungspolitiker, die an dem Projekt auch dann noch stur festhielten, als längst klar war, wie absurd teuer es werden würde. So haben sie Hinkley Point erledigt. Jetzt dürfen sie nach einer Alternative fahnden.

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