Asylbewerber:Paragraf fürs Abschieben

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Wann geflüchtete Azubis hier geduldet sind, bleibt umstritten. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer fordert ein bundesweit einheitliches Vorgehen.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Am Anfang war eine gute Idee: Flüchtlinge, die sich in Deutschland ausbilden lassen, sollen ihre Lehre abschließen. Dann sollten sie für weitere zwei Jahre ein Aufenthaltsrecht bekommen, wenn sie nach der dreijährigen Ausbildung im Beruf bleiben. So ist es seit August 2016 im Integrationsgesetz geregelt. Damit sollten Asylbewerber, über deren Bleiberecht noch nicht entschieden wurde, während der Lehrzeit die Sicherheit haben, hier bleiben zu dürfen. Trotz dieser 3+2-Regelung kam es in der Praxis jedoch immer wieder zu Abschiebungen. Nun gibt es deshalb in der Regierungskoalition erneut Ärger.

Die Grünen sprechen von einer "Abschottungspolitik" der Innenpolitiker

Strittig ist ein Halbsatz im Aufenthaltsgesetz: Danach soll es eine Duldung für Auszubildende nur geben, wenn "konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen". Was "konkrete Maßnahmen" sind, ein Abschiebeflug, ein Verfahren zur Beschaffung eines Ersatzpasses oder nur ein Termin bei der Ausländerbehörde, blieb jedoch unklar. In einigen Bundesländern wie Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen wurde dieser Spielraum teilweise dafür genutzt, ein Aufenthaltsrecht für eine Ausbildung erst gar nicht zu erteilen. Wirtschaftsverbände und die Bundesagentur für Arbeit kritisierten die Regelung scharf. Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer forderte, das Recht bundesweit einheitlich anzuwenden. "Wir laufen sonst Gefahr, dass Unternehmen davor zurückschrecken, Asylbewerber und Geduldete auszubilden", sagte er.

Das Bundesinnenministerium legte nun auf Wunsch der Ministerpräsidenten der Länder "Anwendungshinweise" zu der Frage vor, wann wegen einer Ausbildung eine Duldung zu erteilen ist. Diese Leitlinien, die für die Länder nicht rechtsverbindlich sind, gehen dem Bundesarbeitsministerium aber nicht weit genug. Wie der entscheidende Halbsatz auszulegen ist, bleibt umstritten. Es gebe hier "teilweise unterschiedliche Einschätzungen", teilte das Arbeitsministerium mit. Auch manche Sozialpolitiker in der Union äußerten sich kritisch zu den neuen Hinweisen des vom CDU-Politiker Thomas de Maizière geführten Bundesinnenministeriums.

Die Grünen-Abgeordnete Brigitte Pothmer hält die Hinweise für "untauglich". Von Rechtssicherheit könne keine Rede sein, weil sich die 3+2-Regelung weiter unterlaufen lasse. Geflüchtete mit einer Lehrstelle wie Betriebe müssten aber die Sicherheit haben, dass die Duldung mit Vertragsabschluss greift und damit etwa auch für eine vorbereitende Qualifizierung gilt. "Wer glaubt, Betriebe bis wenige Wochen vor Ausbildungsbeginn im Unklaren darüber lassen zu können, ob ihr geduldeter Azubi die Ausbildung beginnen darf, hat offensichtlich keine Ahnung von der Realität auf dem Ausbildungsmarkt", sagt Pothmer. Innerhalb der Regierung hätten sich "die Innenpolitiker mit ihrer Abschottungspolitik durchgesetzt".

© SZ vom 23.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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