Air Berlin:Überraschende Wende

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Flugzeuge von Air Berlin und Etihad auf dem Flughafen Düsseldorf. Deren Gemeinschaftsflüge sind weiterhin zum großen Teil möglich. (Foto: imago)

Nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts dürfen Air Berlin und Etihad fast alle Gemeinschaftsflüge fortsetzen.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hat nun doch die meisten der Gemeinschaftsflüge von Air Berlin und Etihad Airways genehmigt. Dem Gericht zufolge dürfen die beiden nur auf fünf innerdeutschen Strecken nicht kooperieren, 26 weitere Verbindungen seien aber vom Luftverkehrsabkommen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten abgedeckt. Etihad und Air Berlin feierten die Entscheidung als "Sieg für mehr Wettbewerb". Das in dem Berufungsverfahren weitgehend unterlegene Bundesverkehrsministerium will das Urteil analysieren und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Worum ging es in dem Streit?

Das Bundesverkehrsministerium hatte die Flüge zwar etwa zweieinhalb Jahre lang genehmigt. Doch nach Beschwerden von Lufthansa und Condor hat sich die Behörde den Text des Luftverkehrsabkommens zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten noch einmal angeschaut und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sie zum Teil nicht abgedeckt sind. Die Konkurrenten von Air Berlin haben massiv Druck gemacht, die Grenzen des Abkommens einzuhalten, weil sie Etihad in Europa ausbremsen wollen. Der Text des Abkommens ist an zwei Stellen unklar. Das Landgericht Braunschweig hatte ihn gegen Air Berlin ausgelegt, das Oberverwaltungsgericht hingegen im Sinne der Fluggesellschaft.

Warum sind die Regelungen nicht eindeutig?

Der Streit drehte sich um eine Formulierung im Vertrag. Es war unklar, ob an drei Flughäfen nur Codesharing-Flüge innerhalb Deutschlands möglich sind oder ob zu diesen drei Flughäfen auch internationale Flüge im Codesharing zulässig sind. Die Beschwerden der Konkurrenten richteten sich vor allem gegen die Kooperation auf den internationalen Flügen. Gerade diese hat das Gericht aber wieder erlaubt, während ein Teil der Inlandsflüge nun nicht mehr gemeinschaftlich angeboten werden darf.

Welche Auswirkungen hat ein Verbot von Codesharing für die Kunden?

Betroffen sind nun Kunden, die ein Ticket mit Etihad-Flugnummer auf einer der fünf Inlandsstrecken von Air Berlin gebucht haben. Tickets mit einer EY-Flugnummer (Etihad) müssten auf AB (Air Berlin) umgeschrieben werden. Das ist möglich, aber für die Airlines mit großem Aufwand verbunden. Die Kunden bekommen in diesem Fall eine neue Buchung.

Warum ist Codesharing für Air Berlin so wichtig?

Etihad hat Air Berlin mit dem Einstieg vor vier Jahren vor dem Kollaps gerettet und stützt das Unternehmen seither finanziell. Das Codesharing ist die Grundlage der Kooperation, denn es sichert Etihad Anschlusspassagiere für die eigenen Langstrecken vom Drehkreuz in Abu Dhabi. Ohne breit angelegtes Codesharing würde das Investment in Air Berlin aus Sicht von Etihad deutlich an Attraktivität verlieren.

Was bedeutet das Urteil für die Zukunft von Air Berlin?

Das Unternehmen selbst versucht, das Urteil als großen Durchbruch darzustellen. Es ist zwar richtig, dass damit die rechtliche Grundlage der Zusammenarbeit mit Etihad wieder gesichert erscheint, auch wenn sowohl das Verkehrsministerium als auch die Konkurrenz prüfen, ob es noch weitere Möglichkeiten gibt, gegen die aus ihrer Sicht unrechtmäßigen Flüge vorzugehen. Doch gerettet ist Air Berlin noch lange nicht. Das Unternehmen schreibt weiterhin trotz der bereits existierenden Zusammenarbeit mit Etihad rote Zahlen und ist seit Jahren auf Finanzhilfen aus Abu Dhabi angewiesen. Diese werden aber immer schwieriger durchzusetzen sein, ohne damit erneut rechtliche Grenzen zu überschreiten: Die Konkurrent argumentiert, dass Etihad bei Air Berlin de facto das Sagen hat, obwohl sie nur 29 Prozent der Anteile hält. Als nicht-europäischer Investor darf sie aber nicht die Kontrolle über eine europäische Fluggesellschaft ausüben.

Wie geht es jetzt mit Air Berlin weiter?

Keiner der in den vergangenen Jahren angestoßenen Sanierungsversuche hat bei Air Berlin wirklich gegriffen. Die neueste Strategie von Konzernchef Stefan Pichler setzt vor allem auf die Standorte Düsseldorf und Berlin sowie auf neue Langstrecken. Ein Teil der Touristikstrecken von und nach Palma de Mallorca, wo Air Berlin dominant ist, wird eingestellt. Die zum Teil hohe Verluste bringenden Etihad-Zubringer sollen bleiben. Pichler hatte seinen ursprünglichen Plan, das Streckennetz stärker zu beschneiden, wieder zurücknehmen müssen. Weitere Probleme: Für den Ausbau des Netzes in Düsseldorf fehlen sowohl Geld als auch die nötigen Start- und Landezeiten, und Berlin ist bei den Airlines für niedrige Ticketpreise und große Konkurrenz berüchtigt.

Wie wirkt sich der niedrige Ölpreis aus?

Air Berlin hat im dritten Quartal 2015 etwa zwölf Prozent weniger Geld für Treibstoff ausgegeben. Das lag zum Teil am sinkenden Preis, die Fluggesellschaft hat aber auch sechs Prozent weniger Flüge absolviert. Die bestehenden Sicherungsgeschäfte für Treibstoffkosten bewirken, dass die niedrigen Preise erst später durchschlagen. Trotz der geringeren Staatseinnahmen durch Öl gibt es derzeit keine Anzeichen dafür, dass Abu Dhabi die Auslandsinvestitionen der staatlichen Etihad nicht mehr stützt.

© SZ vom 16.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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