Air Berlin:Condor erwägt Angebot 

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Die Fluggesellschaft könnte die angeschlagene Airline als Ganzes übernehmen. Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl zieht sich dagegen vorerst aus dem Bieterrennen zurück.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Die zum Thomas Cook-Konzern gehörende Ferienfluggesellschaft Condor erwägt nach SZ-Informationen, die angeschlagene Air Berlin als Ganzes zu übernehmen. Branchenkreisen zufolge hat es erste Gespräche mit Air Berlin-Sachwalter Lucas Flöther gegeben, ein formelles Angebot steht aber noch aus. Alternativ prüft Condor auch, sich nur um Teile der insolventen Firma zu bewerben. Über das Angebot für das Gesamtunternehmen berichtete zunächst die Zeitung BZ.

Mögliche Investoren haben noch bis zum 15. September Zeit, Angebote einzureichen. Der Gläubigerausschuss tagt dem Vernehmen nach erst wieder am 21. September, soll dann aber möglichst schon entscheiden, welche Interessenten den Zuschlag für welche Teile des Unternehmens bekommen. Bislang hat nur Lufthansa ein Angebot für die österreichische Air-Berlin-Tochtergesellschaft Niki abgegeben sowie ihr Konzept erläutert, wie sie weitere Teile der Air Berlin-Flotte integrieren will. Daneben finden Gespräche mit Condor sowie Easyjet statt. Der Unternehmer Hans Rudolf Wöhrl hat sich aus dem Verfahren vorerst zurückgezogen.

Das Interesse Condors für Air Berlin als Gesamtunternehmen gilt in der Branche als Überraschung. Insidern zufolge könnten auch taktische Erwägungen eine Rolle spielen mit dem Ziel, am Ende wenigstens den Zuschlag für Teile des Unternehmens zu bekommen. Bei Condor würde Niki mit der eigenen Flotte von 17 Airbus A321 gut das europäische Streckennetz zu Ferienzielen ergänzen. Auch die weitgehend in Düsseldorf stationierte Langstreckenflotte würde das bestehende Condor-Angebot auf Strecken in die USA und die Karibik vergrößern. Allerdings fliegt Air Berlin derzeit auch stark defizitäre europäische Zubringerflüge und betreibt ein innerdeutsches Streckennetz. Beide Segmente bedient Condor nicht, denn sie lassen sich nicht mit dem Geschäftsmodell vereinbaren.

Mit kombiniert 180 Flugzeugen würde Condor bei einer Übernahme von Air Berlin ihre Flotte vervierfachen. Die Fluggesellschaft, die mit den anderen Airlines des Thomas-Cook-Konzerns eng verbunden ist, betreibt derzeit 45 Maschinen. Unklar ist auch, wie der hoch verschuldete Thomas-Cook-Konzern den Zukauf und die anschließende Sanierung finanzieren will. Auch Condor selbst durchläuft nach Verlusten im vergangenen Jahr ein straffes Sparprogramm und baut Arbeitsplätze ab.

Der Condor-Mutterkonzern Thomas Cook ist selbst hoch verschuldet

Unternehmer Wöhrl befindet sich hingegen auf dem Rückzug. Ursprünglich hatte er ebenfalls Interesse an Air Berlin insgesamt bekundet. Doch nun spricht Wöhrl lediglich davon, bei Air Berlin gemeinsam mit Partnern einsteigen zu wollen. Als größten Mitgesellschafter würde er Lufthansa "bevorzugen". Nach Wöhrls Vorstellungen würde Air Berlin einen großen Teil der Flotte im Auftrag anderer Fluggesellschaften, sprich: Lufthansa-Tochter Eurowings, betreiben und einen kleineren Teil auf Inlands- sowie Ferienstrecken unter der eigenen Marke. Allerdings hat er sich von Lufthansa für das Projekt schon eine Abfuhr eingeholt, hat aber aus dem Kreis der anderen Bewerber "positive Signale" wahrgenommen. Wöhrls Intro verzichtet allerdings darauf, die Air-Berlin-Finanzen im Detail zu prüfen, weil dies mit einer Vertraulichkeitserklärung verbunden gewesen wäre. Dies könne er nicht unterschreiben, so Wöhrl, weil er ja mit seinen eigenen Investoren kommunizieren müsse.

Sachwalter Flöther sowie der Air-Berlin-Generalbevollmächtigte Frank Kebekus gehen nach Informationen aus Branchenkreisen davon aus, dass der Überbrückungskredit der Bundesregierung in Höhe von 150 Millionen Euro in den nächsten Tagen ausgezahlt wird. Das eigentliche Insolvenzverfahren für das Unternehmen soll bevorzugt schon am 1. Oktober beginnen, spätestens aber am 1. November, so heißt es. Der Zeitpunkt hänge vom Ausgang der Verkaufsverhandlungen ab, die derzeit noch offen seien. Die beiden Restrukturierungsexperten halten es offenbar für wahrscheinlich, dass sich einzelne Angebote überlappen. Ziel müsse es daher sein, Lösungen zu finden, bei denen möglichst wenige Unternehmensteile übrig bleiben. Flöther und Kebekus haben sich in Gesprächen mit Branchenvertretern gegen den Eindruck verwahrt, es gebe politischen Einfluss auf das Bieterverfahren.

Sorge bereitet ihnen dem Vernehmen nach die Frage, ob es weiterhin gelingt, einen eigenen Insolvenzantrag von Niki zu vermeiden. Dieses würde den Verkauf der Tochtergesellschaft erschweren. An Niki ist angeblich nicht nur die Lufthansa interessiert, sondern auch Condor, und zwar auch dann, wenn sie nur für Teile von Air Berlin ausgewählt wird.

Air Berlin hatte am 15. August einen Antrag auf Insolvenz in Eigenverwaltung gestellt, nachdem der bisherige Großaktionär Etihad Airways erklärt hatte, das Unternehmen nicht mehr finanziell unterstützen zu wollen.

© SZ vom 01.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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