Air Berlin:Brief an den Minister

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In Berlin, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen sorgen sich die Landesregierungen um die Zukunft von Air Berlin. Deshalb schreiben sie nun einen Brief an den Bundesverkehrsminister.

Von Jens Flottau, Frankfurt

Wo Stefan Pichler ist, da ist in der Regel Geräusch und Action. Kaum eine Woche vergeht, in der sich der neue Air Berlin-Chef nicht irgendwo ausführlich interviewen oder porträtieren und die Welt an seiner Rettungsmission teilnehmen lässt. Neulich posierte er für ein Wirtschaftsmagazin in Flughaltung auf dem Dach der Air Berlin-Zentrale. Alleine die optische Einleitung erstreckte sich über vier Seiten. Und wenn er gerade nicht auf dem Dach steht oder über seine Sanierungskünste berichtet, baut er das Management um - bei den Führungskräften fürchtet gerade die halbe Firma um ihren Job.

Eines der wenigen Themen, zu denen sich Pichler fast gar nicht äußert, ist neben der schwierigen wirtschaftlichen Situation des Unternehmens die wohl größte Bedrohung für Air Berlin: der Streit über die deutschen Verkehrsrechte des größten Anteilseigners und Partners Etihad Airways. Die Lage muss also sehr ernst sein. So ernst, dass sich der Regierende Bürgermeister Berlins, Michael Müller, nun bemüßigt fühlte, einen Brief an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt zu schreiben. Mitverfasst haben den Brief die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihr baden-württembergischer Kollege Winfried Kretschmann, schließlich sind Berlin, Düsseldorf und Stuttgart wichtige Standorte für die Airline. "Wir alle wollen, dass Air Berlin ihre Code-Sharing-Flüge mit Etihad weiter anbieten kann", schreibt Müller.

Dass dies auch tatsächlich so kommt, ist keinesfalls sicher. Denn nicht nur haben die Ministerpräsidenten von Bayern und Hessen, Horst Seehofer und Volker Bouffier, Briefe geschrieben, in denen sie genau das Gegenteil wollen. Schließlich beheimaten ihre Bundesländer die beiden größten Drehkreuze des Air Berlin-Konkurrenten Lufthansa. Vor allem aber ist die rechtliche Grundlage, auf der die Gemeinschaftsflüge stattfinden, äußerst wackelig und müsste geändert werden. Aber in den überfälligen Verhandlungen zwischen Deutschland und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) tut sich offiziell noch nichts.

Kern des Streits ist der Umstand, dass Etihad ihre Flugnummer auf die Air Berlin-Flüge von Berlin und Stuttgart nach Abu Dhabi sowie auf zahlreiche weitere Verbindungen von Berlin zu europäischen Zielen platziert hat - Code-Sharing heißt das. Lufthansa und ihre politischen Helfer behaupten, dies sei durch das Luftverkehrsabkommen zwischen Deutschland und den VAE nicht abgedeckt. Auch das Bundesverkehrsministerium ist dieser Ansicht, hat aber die Code-Sharing-Flüge zuletzt immer weiter für die nächste Flugplanperiode genehmigt. Ohne ein neu verhandeltes Luftverkehrsabkommen ist aber absehbar, dass das Arrangement gestrichen werden soll. Für Air Berlin wäre dies existenzgefährdend. Denn warum sollte Etihad die deutsche Beteiligung (29 Prozent) weiter am Leben erhalten, wenn sie noch nicht einmal mit ihr zusammenarbeiten darf?

Politisch geht es um viel, nicht nur um ein paar Dutzend Jobs in Pichlers oberem Management, sondern um rund 9000 Mitarbeiter von Air Berlin. Und nicht zuletzt: um den einzig verbliebenen deutschen Konkurrenten von Lufthansa. Doch auch Lufthansa tut seit Jahren politisch alles dafür, das Wachstum der Golf-Anbieter zu bremsen.

© SZ vom 04.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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