Automobilclub:Machtkampf im ADAC gefährdet Reform

ADAC - Hauptversammlung

ADAC-Hauptversammlung am vergangenen Samstag: Von außen sieht es ganz friedlich aus.

(Foto: Henning Kaiser/dpa)
  • Erstmals, seit sich der ADAC nach den Manipulationen bei der Autowahl Gelber Engel eine grundlegende Reform verordnete, kommt es zum Machtkampf zwischen mächtigen Regionalclubs und dem Präsidium.
  • Einer der Streitpunkte ist die Umsetzung einer Compliance-Abteilung, die das rechtlich wie ethisch korrekte Handeln im täglichen Geschäft überwachen soll.
  • Auch das Hinweisgebersystem, durch das Mitarbeiter anonym Hinweise auf etwaiges Fehlverhalten von Vorgesetzten geben können, wird intern bekämpft.

Von Bastian Obermayer und Uwe Ritzer

Keine einzige Wortmeldung zu einem strittigen Thema, und das bei 221 Delegierten. Die ADAC-Hauptversammlung am vergangenen Samstag in Bochum war das, was ADAC-Hauptversammlungen schon immer waren: eine Schauveranstaltung. Wenn das Parlament des größten europäischen Automobilclubs öffentlich tagt, ist demonstrative Einigkeit Pflicht. Offen geredet wird immer am Tag zuvor, bei der Delegiertenkonferenz, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Und da war nach SZ-Informationen von Einigkeit keine Spur, da prallte das Lager der Reformer auf die Reformgegner. Der interne Konflikt ist noch lange nicht ausgestanden.

Erstmals, seit sich der ADAC im Nachgang zu den Manipulationen bei der Autowahl Gelber Engel eine grundlegende Reform verordnete, kommt es zum Machtkampf zwischen mächtigen Regionalclubs und dem Präsidium um ADAC-Chef August Markl. Und das bei einem zentralen Reformvorhaben: der Frage, wie es der ADAC künftig mit Compliance hält, dem rechtlich wie ethisch korrekten Handeln im täglichen Geschäft. Jedes Unternehmen, das einigermaßen etwas auf sich hält, hat dafür ein System geschaffen. Der ADAC tut sich jedoch schwer damit.

Bereits vor der Bochumer Versammlung war bekannt geworden, dass sich mehrere der rechtlich weitgehend autarken Regionalclubs gegen den von Markl und den Reformern betriebenen Aufbau einer Compliance-Organisation wehren. Einige ADAC-Regionalfürsten fürchten Machtverlust. Geplant ist eine Compliance-Gesellschaft samt hauptamtlichem Leiter - etwas ambitioniert Chief Compliance Officer genannt - und eigenem Team. Diese neue Abteilung soll aber auch bei den Regionalclubs über die Einhaltung der Regeln wachen. Viel hätte nicht gefehlt, und es wäre darüber in Bochum zum Eklat gekommen. "Die nichtöffentliche Debatte darüber war sehr kontrovers und teilweise auch sehr emotional", sagt einer, der dort war.

Selbst August Markl räumt ein, dass es hinter den Kulissen keineswegs so harmonisch zuging, wie nach außen getan wurde. Man habe vielmehr "eine lebhafte Debatte darüber geführt, wie wir unsere gemeinsame Compliance-Organisation ausgestalten", so Markl zur SZ. Nur mit viel Mühe gelang es ihm, die Risse im ADAC-Gefüge einigermaßen zu kitten.

Am Ende gelang es ihm, dass die Compliance-Satzung nach einigen Umformulierungen einstimmig verabschiedet wurde. Man habe "einstimmig eine gute Lösung gefunden", sagt Markl. Der Präsident und seine Leute feiern das als großen Sieg. Damit sei erstmals das Thema Compliance beim ADAC verankert worden, auch einen Compliance-Ausschuss und regionale Compliance-Beauftragte werde es geben.

"Gleiche Regeln ja, aber keiner, der uns sagt, was wir tun sollen"

Aber: Wesentliche Fragen sind nach wie vor ungeklärt. Längst nicht jeder Regionalclub will der Compliance-Gesellschaft, einer GmbH, beitreten. Als Erster winkte Nordrhein ab, der größte der 18 ADAC-Regionalclubs, der von Markls Widersacher Peter Meyer geführt wird. Jenem Peter Meyer, der vor Markl Präsident war und dessen Macht wieder wächst. Man brauche keine einheitliche Lösung, man gehe das Thema eigenständig an, hieß es von dort. Auch in Berlin-Brandenburg und Nordbayern sitzen einflussreiche Skeptiker. Allgemeiner Tenor: Wir wollen uns nichts von der ADAC-Zentrale oder dem Präsidium vorschreiben lassen. Die Regionalfürsten wollen verhindern, dass der neue Compliance-Beauftragte durchregieren kann. "Gleiche Regeln ja, aber keinen, der uns sagt, was wir tun sollen", so ein Insider. Dass die Regionalclubs ihre in 112 Jahren gewachsene, weitgehende Selbständigkeit wahren wollen, ist nachvollziehbar. Andererseits waren in jüngerer Vergangenheit einige Regionalclubs Brutstätten von langwierigen und unappetitlichen Affären.

In Nordbayern etwa grassierten Sexismus-Vorwürfe, die nie wirklich aufgeklärt wurden. Es gab eine Abhöraffäre und eine Ombudsfrau, von der man schnell wieder Abschied nahm, nachdem sich zahlreiche Mitarbeiter mit Vorwürfen gegen ADAC-Verantwortliche gemeldet hatten. Aktuell ermittelt die Nürnberger Staatsanwaltschaft wegen womöglich allzu üppiger ADAC-Zuwendungen unter anderem für Funktionärsgattinnen. Im Regionalclub Niedersachsen gab es jahrelange wüste Grabenkämpfe des inzwischen abgelösten Geschäftsführers mit Betriebsräten.

Zeitgleich zu dem Kampf gegen die Compliance-Reform versuchen einflussreiche Kräfte auch das Hinweisgebersystem "plattzumachen", wie ein hoher ADAC-Mann formuliert. Jenes im Zuge der Reform eingeführte System also, wo Mitarbeiter anonym Hinweise auf etwaiges Fehlverhalten von Vorgesetzten geben können. Vor allem Nordbayern soll dagegen mobilmachen. Man fürchte, so die Kritiker, ein Bespitzelungssystem. Pikant: Erst im Januar wurde bekannt, dass ein ranghoher Manager aus der ADAC-Zentrale sich möglicherweise über Jahre hinweg bereichert hat, und die Geschichte flog auf: durch einen anonymen Hinweis.

Das dritte große Thema sind die ADAC-Vertragsanwälte. In etlichen Landesverbänden verdienen Top-Funktionäre als Vertragsanwälte am ADAC mit, zum Teil konnten sie selbst mitentscheiden, ob mehr dieser lukrativen Posten vergeben werden. Oder ob sie keine Konkurrenz gegen das eigene Geschäft zuließen. Vorzeigebeispiel dieser Art der Bereicherung war der Berliner Verband. Schon der ADAC-Beirat wollte diese Regelung kippen, vergeblich. Einen Fürsprecher könnten die Doppelfunktionäre nun an oberster Stelle platziert haben: Auch der in Bochum neu gewählte Erste Vizepräsident Matthias Feltz ist Partner einer Kanzlei, die über den ADAC viele Klienten bekommt.

Die nächsten Wochen werden entscheiden, ob Markl mit seiner Reform im zentralen Punkt scheitert. Bereits in wenigen Tagen soll der erste Chief Compliance Officer in der Vereinsgeschichte benannt werden. Bewusst wurde die Person extern gesucht und nicht innerhalb der verkrusteten ADAC-Strukturen. Allerdings: Der Letzte, der von außen als Compliance-Fachmann geholt wurde, war Geschäftsführer Thomas Kagermeier. Der warf im Februar nach nur sechs Monaten entnervt hin.

Bis Juni sollen nun Gesellschaftervertrag und Geschäftsordnung der Compliance-Gesellschaft stehen. Präsidium und Verwaltungsrat sollen darüber im Sommer entscheiden. Sicher, dass alles den geplanten Gang geht, ist sich auch ADAC-Präsident Markl nicht. Mit den Bochumer Beschlüssen sei "ein Beitritt aller zur Compliance GmbH wahrscheinlich geworden", sagt er. Aber ob es auch so kommen wird? "Das gesamte Präsidium wünscht sich das und arbeitet intensiv daran."

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