Abgasaffäre:VW-Manager bleiben beim Thema Bonuszahlungen stur

Lesezeit: 4 min

In Wolfsburg geht es momentan mehr um die Bezahlung der Vorstände als um die Lösung der großen Probleme in der Dieselaffäre. Dabei läuft dem Autokonzern im Streit mit den US-Behörden die Zeit davon. (Foto: Reuters)

Mehrere VW-Manager wehren sich weiter gegen die Kürzung ihrer Millionenboni - weil sie sich für die Krise nicht verantwortlich fühlen. In den USA reiben sich die Kläger deshalb schon die Hände.

Von Thomas Fromm und Klaus Ott, München/Wolfsburg

Für den Dienstagvormittag nehmen sich VW-Vorstände in der Regel nichts vor, denn Dienstag ist Vorstandstag in Wolfsburg. Mal beginnt die Wochenkonferenz der Chefs um neun, mal um zehn Uhr. Ort: VW-Zentrale am Mittellandkanal, Konferenzraum fünfter Stock. Es geht hier meist um aktuelle Themen, um Strategien, um Investitionen, um Technologien, Investitionen, um Geld.

An diesem Dienstag geht es um ganz besonderes Geld: das Geld der Vorstände. Laut Vertrag stehen mehreren Managern für das vergangene Geschäftsjahr Millionenboni zu. Eigentlich. Wegen der Dieselaffäre sollen sie nun auf diese Sonderzahlungen oder zumindest auf einen Teil davon verzichten.

VW-Chef Matthias Müller und seine Kollegen müssten jetzt liefern, heißt es in den Chefetagen des Unternehmens. Sie müssten sich bereit erklären, auf einen großen Teil ihrer vertraglich garantierten Bonus-Zahlungen zu verzichten. Auf einen größeren Teil jedenfalls, als zuletzt angeboten - sonst sei das dem Aufsichtsrat nicht zu vermitteln.

Offenbar fällt es auch Topmanagern schwer, sich von Geld zu trennen

Die Diskussion läuft so: Die Vorstände würden ihre Millionenboni nicht opfern, um damit die drohenden Milliardenstrafen zu finanzieren, die wegen der Dieselaffäre auf das Unternehmen zurollen, es wäre wohl ein Tropfen auf den heißen Stein. Vielmehr geht es hier um Symbolik. Ein paar Millionen für das Ansehen und das Selbstverständnis eines ganzen Konzerns. Kleiner Einsatz, große Wirkung also.

Aber es ist offenbar auch für Topmanager schwer, sich von ihrem Geld zu verabschieden. Das sechsköpfige Präsidium des VW-Aufsichtsrats befasste sich am Montag mit den Boni. Da war die öffentliche Diskussion schon seit einigen Tagen im Gange und wer erwartet hatte, dass die VW-Oberen unter diesem Druck nachgeben würden, musste dazulernen. Montagmittag ging man nach drei Stunden wieder auseinander, ohne Ergebnis. Auf Wiedersehen, bis Dienstag. Dann soll es im Vorstand eine Lösung geben.

Im Vorstand wächst der Unmut über Aufsichtsratschef Pötsch

Vielleicht. Es gebe "unterschiedliche Sichtweisen" im Vorstand, beschreibt ein Insider die Situation. Will heißen: Es gibt Manager, die wären bereit, einen Teil ihrer Boni abzuschreiben. Andere beharren auf ihren Verträgen.

Mittendrin der frühere Finanzvorstand und heutige Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch, der sich bei seinem Wechsel im vergangenen Oktober Bonuszahlungen in Millionenhöhe zusagen ließ. Schon soll sich erster Unmut über den Chefkontrolleur im Vorstand breitmachen. Er will nach SZ-Informationen nicht in Vorleistung treten und seine Boni als Erster ausschlagen. Es gehe darum, dass sich der Chefkontrolleur nun "einer Gesamtsystematik" anschließe, heißt es intern.

Alle entscheiden, alle verzichten - und zwar gleichzeitig. "Es müssen hier alle mitgehen", heißt es aus dem Aufsichtsrat. Alle oder keiner, so ist das, wenn es um Millionenboni geht. Und keiner will der Erste sein.

Vor allem diejenigen, die nichts mit der technischen Entwicklung zu tun haben, mit den Labors, in denen jahrelang die Abgas-Tests manipuliert wurden, sagen: Was geht uns das an? Man habe "nicht in der Hängematte gesessen", sondern sich stets "den Arsch aufgerissen" für Volkswagen. Dann gibt es die anderen, die sagen: Wir müssen jetzt ein Zeichen der Demut setzen. VW steckt nicht nur in der größten Krise seiner Geschichte. Es ist auch ein zerrissener Konzern auf der Suche nach sich selbst.

Diskussion um Boni
:Gefangen im System VW

Verträge und der Filz: Warum ein Verzicht des Vorstands auf die millionenschweren Zahlungen so schwer durchzusetzen ist.

Von Thomas Fromm und Klaus Ott

Früher umarmten sie sich auf den Bühnen der großen Automessen. Heute kämpfen sie um jeden Euro.

Nun wäre diese wahrscheinlich nur eine dieser wöchentlichen Geschichten aus dem fünften Stock am Mittellandkanal, wäre da nicht diese immense Signalwirkung, die bis in die USA reicht. Dort wird der in Wolfsburg ansässige Konzern wegen manipulierter Abgas-Werte bei 580 000 Diesel-Fahrzeugen von Behörden und Autokäufern auf Schadensersatz in horrender Höhe verklagt. Bis zum 21. April hat der kalifornische Bundesrichter Charles Beyer VW und den Klägern Zeit für eine Einigung gegeben. Es ist wohl die letzte Frist, und, so räumt man in Wolfsburg ein: "Die Komplexität ist gewaltig."

In Wolfsburg zittern sie gerade: Klappt das mit den USA? Es geht um die Frage, wie der Konzern mit seinen Software-verseuchten Autos in Übersee umgeht, die alles andere nach sich zieht: Erst anschließend kann der Volkswagen-Vorstand planen. Kann entscheiden, wie viel Geld wegen der Abgas-Affäre zurückgelegt werden soll. Davon wiederum hängt das Jahresergebnis 2015 ab, und davon wiederum hängen die Boni ab. In Wolfsburg spricht man von der "Quadratur des Kreises".

Volkswagen
:VW-Chefs riskieren Bruch mit 600 000 Mitarbeitern

Der Streit um Boni spitzt sich zu. VW-Aufsichtsratschef Pötsch will die Vorstände überzeugen, auf Extra-Millionen zu verzichten. Das kann nur unter einer Bedingung gutgehen.

Kommentar von Thomas Fromm

Manager-Boni könnten auch die Kläger motivieren

Nun wissen Kritiker der Millionenboni wie der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) genau: Wie zum Teufel soll man nur seine Gegner in den USA zum Einlenken bewegen, wenn sich nicht einmal der eigene Vorstand bewegt?

Wenn Konzernchef Matthias Müller und der Aufsichtsrat es nicht schaffen, die Millionenverdiener im Vorstand auf Kurs zu bringen, wäre dies für Kläger in den USA wohl ein ganz besonderes Fest: Warum sollten sie auf Teile ihrer Ansprüche verzichten, wenn beim Gegner in Niedersachsen gerade um Boni gefeilscht wird? Die Gefahr steigt, dass wer auch immer Ansprüche hat, vor Gericht bis zur letzten Instanz streitet.

Hoffen, bangen, zittern, von den Chefetagen bis zu den Beschäftigten am Fließband, von der fünften Etage bis hinein in die große VW-Welt mit seinen 600 000 Mitarbeitern. Alles schaut auf den 21. April; es gehe darum, das Unternehmen zu retten, heißt es am Stammsitz in Wolfsburg. Es wäre ein "großer Erfolg", sagt einer aus der Konzernspitze, der eher skeptisch als zuversichtlich ist.

USA, Boni, Abgase. Der Konzern braucht jetzt ausnahmsweise mal gute Nachrichten, und weil sich Betriebsrat und das Management der Kernmarke VW zuletzt öffentlich prügelten, schickten beide am Montag eine gemeinsame Pressemitteilung raus. Man habe "konkrete nächste Schritte für die Initiative Volkswagen 2025 vereinbart", heißt es dort. Betriebsratschef Bernd Osterloh will mehr Mitspracherechte bei strategischen Fragen wie Standortsicherung, Investitionen und Beschäftigung und soll sie auch bekommen.

Osterloh hatte VW-Markenchef Herbert Diess, der bei VW sparen will, vor einigen Tagen scharf kritisiert und von einem "gravierenden Vertrauensproblem" gesprochen. Dieser aber kommt nun - anders als sein Kontrahent Osterloh - in der Mitteilung gar nicht zu Wort.

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: