Abgas-Skandal bei VW:"Technisch, handwerklich und finanziell überschaubar"

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Wer ist schuld, dass nicht so genau hingesehen wurde? Ein VW-Tiguan bei einer TÜV-Untersuchung. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
  • Für mehr als 90 Prozent der betroffenen Diesel-Fahrzeuge in Europa seien VW-Chef Müller zufolge Lösungen gefunden worden.
  • Müller dämpfte Erwartungen, dass es bei der Suche nach Verantwortlichen rasche Fortschritte gibt, Mitte Dezember soll es aber einen Zwischenbericht geben.
  • Nach Angaben des TÜV Nord ist auch die Politik dafür verantwortlich, dass die Abgas-Manipulationen nicht früher erkannt wurden.

Volkswagen hat in der Abgas-Affäre für den Großteil der betroffenen Fahrzeuge technische Lösungen gefunden. Für mehr als 90 Prozent der betroffenen Diesel-Fahrzeuge in Europa seien diese inzwischen durch die Behörden bestätigt, sagte VW-Chef Matthias Müller am Montag in einer Rede vor rund tausend Führungskräften in Wolfsburg. Der Aufwand für die Nachrüstung sei "technisch, handwerklich und finanziell überschaubar", sagte Müller laut Redetext.

Bis Ende des Monats werde Volkswagen dem Kraftfahrt-Bundesamt die technische Umsetzung aller geplanten Maßnahmen im Einzelnen vorlegen, kündigte der VW-Chef an. Inzwischen liege auch die grundsätzliche Zustimmung der Behörde für die 1,6-Liter-Motoren vor. Hier seien weniger Eingriffe nötig als anfangs befürchtet. Neben einer aktualisierten Software gehe es dabei um relativ einfache Veränderungen am Luftfilter. Details für die 1,2-Liter-Motoren wolle VW dem Kraftfahrtbundesamt bis zum Monatsende präsentieren. Hier genüge wohl ein Software-Update. Beim 2,0-Liter-Motor hatte die Zulassungsbehörde bereits den Vorschlag von VW abgesegnet, eine neue Software aufzuspielen.

Müller dämpfte Erwartungen, dass es bei der Suche nach den Verantwortlichen rasche Fortschritte gibt. Die interne Revision habe zahlreiche Computer und Smartphones sowie mehrere Gigabyte an Daten sichergestellt. "Zudem werden Gespräche geführt, Hinweise verfolgt und Gremienprotokolle gesichtet." Es werde aber noch einige Monate dauern, bis abschließende Erkenntnisse vorlägen. Sein Ziel sei, die Öffentlichkeit Mitte Dezember mit einem Zwischenbericht zu informieren.

VW hatte zugegeben, Abgaswerte mit Hilfe einer Software in der Motorsteuerung manipuliert zu haben. In Europa ruft der Konzern deshalb 8,5 Millionen Fahrzeuge in die Werkstätten. Weltweit sind bis zu elf Millionen Fahrzeuge betroffen. Für den Rückruf hat der Konzern 6,7 Milliarden Euro zur Seite gelegt. Weitere zwei Milliarden Euro hat Volkswagen kalkuliert, weil bei 800 000 Fahrzeugen falsche CO₂-Angaben gemacht wurden.

TÜV Nord kritisiert Politik

Am späten Montagabend gab auch Audi, das zum VW-Konzern gehört, die Installation einer Software zu, die in den USA als illegales Schummelprogramm gilt. Das Unternehmen teilte mit, den US-Behörden bei der Zulassung von 3,0-Liter-Diesel-Autos insgesamt drei Software-Programme nicht offengelegt zu haben. Eines davon werde nach geltender US-Gesetzgebung als "Defeat Device" betrachtet. Als Defeat Device bezeichnen die US-Umweltbehörden EPA und CARB verbotene Programme zur Manipulation von Abgas-Messwerten bei Emissionstests.

Nach Angaben des TÜV Nord ist auch die Politik dafür verantwortlich, dass die Abgas-Manipulationen nicht früher erkannt wurden. Man habe "jahrelang darauf hingewiesen, dass die Motor-Software Teil unseres Prüfauftrags werden muss - ohne Erfolg", sagte TÜV-Nord-Chef Guido Rettig der Welt. Politiker hätten es den Prüfern unmöglich gemacht, Details wie die manipulative Motoren-Software in VW-Dieselfahrzeugen zu untersuchen.

In der Bundesregierung kann sich niemand an solche Vorbehalte erinnern. Stattdessen hat der TÜV Nord das Verkehrsministerium gegen sich aufgebracht. Der TÜV Nord müsse erst mal "eigene Versäumnisse erklären", heißt es. Schließlich sind die Prüfer aus Hannover Hausprüfer bei VW.

Diesen Dienstag sollen sie deshalb vor der Untersuchungskommission aussagen, die Minister Alexander Dobrindt (CSU) eingesetzt hat. "Wir wollen vom TÜV wissen, wieso die falschen CO₂-Werte bei Volkswagen nicht erkannt worden sind", heißt es dazu knapp.

© SZ vom 24.11.2015 / AFP, RTR, MIBA, THF - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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