Abgas-Affäre:Staatsanwalt ermittelt gegen Ex-VW-Chef Winterkorn

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  • Das Ermittlungsverfahren gegen Winterkorn geht auf eine Strafanzeige der deutschen Finanzaufsichtsbehörde Bafin zurück.
  • Die Staatsanwaltschaft stellte klar, dass nicht gegen den früheren VW-Finanzvorstand und heutigen Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch ermittelt werde.

Von Klaus Ott, Braunschweig/Wolfsburg

Kurz vor der Hauptversammlung der VW-Aktionäre am Mittwoch in Hannover gerät der Autokonzern in der Abgasaffäre noch stärker in Bedrängnis. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt nun auch gegen den ehemaligen Vorstandschef Martin Winterkorn. Er steht unter Verdacht, die Anleger nicht rechtzeitig genug darüber informiert zu haben, welche finanziellen Folgen die Manipulationen von Schadstoff-Messungen bei Diesel-Fahrzeugen in den USA für das Unternehmen haben könnten. Das neue Ermittlungsverfahren geht zurück auf eine Strafanzeige der deutschen Finanzaufsichtsbehörde Bafin in Bonn.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig erklärte am Montag, es bestünden "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" dafür, dass VW die Aktionäre früher über die "zu erwartenden erheblichen finanziellen Verluste" infolge der Abgasaffäre hätte informieren müssen. Der Konzern tat dies erst am 22. September 2015, nachdem US-Behörden die Manipulationen vier Tage zuvor bekannt gemacht hatten. Winterkorn bestreitet jegliches Fehlverhalten.

Zahlreiche Klagen

Die Staatsanwaltschaft stellte klar, dass nicht gegen den damaligen Finanzvorstand und heutigen Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch ermittelt werde. Neben Winterkorn steht ein anderes damaliges Vorstandsmitglied unter dem Verdacht, den Aktienkurs von VW durch verspätete Informationen manipuliert zu haben. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur handelt es sich dabei um VW-Markenchef Herbert Diess.

Sollte sich der Verdacht bestätigen, könnte dies VW zusätzlich zu den bereits absehbaren Zahlungen in Milliardenhöhe in den USA noch deutlich mehr Geld kosten. Zahlreiche Aktionäre verklagen den Konzern vor dem Landgericht Braunschweig auf Schadenersatz in Höhe von mehr als drei Milliarden Euro.

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Die Anleger behaupten, sie hätten ihre VW-Papiere entweder veräußert oder erst gar nicht gekauft, wenn sie früher von den Manipulationen und deren Folgen gewusst hätten. Von den nach Beginn der Affäre eingetretenen massiven Kursverlusten wären diese Aktionäre nach ihrer Darstellung zumindest teilweise verschont geblieben. Vor dem Landgericht Braunschweig zeichnet sich ein Musterprozess ab. Die Anleger würden dort versuchen, sich die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft zunutze zu machen.

Volkswagen bestreitet, die Aktionäre zu spät informiert zu haben. In einem Schriftsatz an das Landgericht Braunschweig räumt VW aber ein, dass der von Winterkorn geleitete Konzernvorstand bereits vor Bekanntgabe der Manipulationen von den Betrügereien erfahren habe. Nach Darstellung des Unternehmens entschied sich der Vorstand im September 2015 für eine zumindest "vorübergehende Geheimhaltung" der Gesetzesverstöße. Das habe nicht der "Verschleierung" gedient. Man habe vielmehr Zeit gewinnen wollen, um sich mit den US-Behörden auf einen kostengünstigen Deal in einer Größenordnung von 100 Millionen Dollar verständigen zu können.

© SZ vom 21.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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