EU-Umweltgipfel in Brüssel:Vergiftetes Klima

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Den großen Hoffnungen auf strengere Ziele im Kampf gegen die Erderwärmung folgt der Eklat: Polen will jedes weitere Vorpreschen der EU stoppen und auf verbindliche Zusagen anderer Großverschmutzer wie China warten. Nun droht der Europäischen Union, die Zeit davonzulaufen.

Markus Balser, Martin Winter und Marlene Weiss

Die Hoffnungen von Umweltschützern waren groß auf den Gipfel der 27 EU-Umweltminister am Freitag in Brüssel. Seit Monaten war ein Coup im Kampf gegen die Erderwärmung in Vorbereitung. Trotz Rückschlägen in den internationalen Klimaverhandlungen trieb Brüssel seine Mitgliedsländer an, sich ehrgeizigere Ziele beim Klimaschutz zu setzen. Die Forderung der EU: eine gemeinsame Erhöhung des Reduktionsziels bis 2020 von 20 auf 25 Prozent. Nur so, hieß es auch in Berlin, seien die weiteren Etappen und das Fernziel von minus 80 Prozent bis 2050 überhaupt noch zu erreichen.

Rückschlag im Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen wie die Überflutung Bangkoks 2011: Europa kann sich nicht einigen. (Foto: dpa)

Doch als sich die Minister am Freitag in Brüssel trafen, wurde rasch klar: Die Pläne stehen vor dem Aus. Schon zum Auftakt der Beratungen machte Polen hinter verschlossenen Türen deutlich, dass es ein Veto einlegen werde. Umweltminister Marcin Korolec habe die geplante Verschärfung kategorisch abgelehnt, hieß es aus Verhandlungskreisen. Dass mit Italien, Großbritannien und Schweden gleich drei Länder auf die deutsche Linie einschwenkten, brachte Polen nicht von der Blockade ab.

Beim Klimaschutz geht es um viel - für die Umwelt und die Wirtschaft. Die EU-Staaten hatten sich schon 2008 darauf verständigt, ihren Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 im Vergleich zu 1990 um ein Fünftel zu senken. Aus Sicht von Umweltschützern reicht das jedoch nicht aus. Sie appellieren an die Politiker, das Reduktionsziel deutlich zu erhöhen. Doch der Klimaschutz ist schon seit Jahren ein umstrittenes Thema im Kreis der 27 Mitgliedsstaaten. Während Länder wie Deutschland und Großbritannien gut vorankommen, sehen osteuropäische Staaten in den EU-Auflagen eine Bedrohung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Länder wie Polen stemmten sich stets gegen zu ehrgeizige Ziele, auch wegen ihrer klimaschädlichen Kohlekraftwerke.

Eine weitere Erhöhung der Klimaziele würde die in Umlauf befindlichen Zertifikate verknappen und den CO2-Ausstoß verteuern. Schon in den vergangenen Tagen hatte Korolec in einem Brief, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, von seinen Ministerkollegen gefordert, die gesamte EU-Klimapolitik zu überdenken und wirtschaftsfreundlicher zu gestalten. Polen will jedes weitere Vorpreschen der EU stoppen und auf verbindliche Zusagen der anderen Großverschmutzer wie China und die USA warten.

Umweltschützer warnen vor Folgen des Dauerstreits

Brüssel droht nun, die Zeit davonzulaufen. Das Europaparlament wird sich am Donnerstag mit dem Thema befassen, im Juni der EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs. Offenbar wollen die Befürworter neuer Klimaziele ausloten, welche Möglichkeiten es gibt, den politischen Druck auf Polen zu erhöhen. So sei Polen auf Zahlungen aus den EU-Strukturfonds angewiesen, hieß es. Die Klimabefürworter könnten nun im Gegenzug bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen den Daumen auf den Auszahlungstopf halten.

Umweltschützer warnen bereits vor den Folgen eines Dauerstreits. "Das Jahrzehnt bis 2020 ist entscheidend", sagt Jo Leinen (SPD), Vorsitzender im Umweltausschuss des Europaparlaments. "Europa trägt eine große Verantwortung in der Welt, es ist inakzeptabel, dass Polen die EU blockiert." Für die Investitionsbereitschaft der europäischen Industrie sei ein Zickzackkurs in der Klimapolitik Gift, sie werde bei dem Thema nur mitmachen, wenn es Planungssicherheit gebe, sagt Leinen.

Zumindest im Flugverkehr spricht Europa mit einer Stimme - es bleibt dabei, dass alle in der EU aktiven Fluggesellschaften für ihre Treibhausgas-Emissionen bezahlen müssen, auch wenn unter anderem China dagegen Sturm läuft. Das bekräftigte der dänische Klimaminister und amtierende Ministerratspräsident Martin Lidegaard am Rande des Treffens in Brüssel. Bei diesem Thema seien sich die EU-Staaten einig. "Wir zaubern Gesetze nicht auf den Tisch, um sie dann wieder zurückzunehmen", sagte auch eine Sprecherin von Klimakommissarin Connie Hedegaard. Im April 2013 müssen die Fluggesellschaften erstmals für Zertifikate bezahlen. China hat wegen des Streits mit Gegenmaßnahmen gedroht und Aufträge über 45 bereits bestellte Airbus-Maschinen auf Eis gelegt.

© SZ vom 10.03.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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