70. Geburtstag von Yohji Yamamoto:Schneider fürs Volk

Designer Yohji Yamamoto

Der japanische Star-Designer und Künstler Yohji Yamamoto.

(Foto: dpa)

Seine ersten Kreationen umfassten 13 verschiedene Töne Schwarz, er bezeichnet sich als Handwerker - und hat Erfolg damit, seine Kundinnen unvorteilhaft aussehen zu lassen. Yohji Yamamoto, intellektuelles Oberhaupt der japanischen Haute Couture, wird siebzig.

Von Catrin Lorch

Das Geschäft der Mode ist weich nur, wo es um Stoffe und Schnittlinien geht, eigentlich ist es eines der harten Metiers, denn was Couture war, muss Markenzeichen werden. Enfant terrible, Revolutionär, Minimalist, Klassiker, das sind die Labels, die man den Schneidern dann anheftet. Im vierzigsten Jahr seiner Berufstätigkeit ist Yohji Yamamoto schon mit all diesen Etiketten versehen worden.

Den Anfang seiner außerordentlichen Popularität betiteln aber noch farbigere Findungen wie Hiroshima-Chic oder Atom-Look, mit denen die damals noch europäisch dominierte Modeszene zu beschreiben versuchte, was man im Jahr 1981 als Anschlag empfand: Dass drei Japaner - Issey Miyake, Rei Kawakubo und Yohji Yamamoto - mit ihrem ersten Defilee bewiesen, dass man den Modezirkus auch mitmachen kann, ohne Frauen vorteilhaft aussehen zu lassen.

Theatralisch hatten die drei ihre Models in Fetzen gehüllt, alle schwarz-weiß, nicht einmal auf den Gesichtern war Rouge erlaubt. Wo man Vorbilder erkannte, waren sie weiter von der Couture entfernt als Tokio von Paris; sie erinnerten an die Einheitskluft von Fischern oder Bauern, eine uniforme, geräumige Kleidung.

Frauen, nicht als Puppen

Eine Revolution? Bald wurde die Qualität einer Mode sichtbar, die Frauen nicht als "Puppe für den Mann einwickelte", wie Yamamoto es beschreibt, sondern ein paar Lagen Luft zwischen Stoff und Haut legt. Was in der Ära von Jane Fonda und Margaret Thatcher mehr als ein provokantes Spektakel war - es war arrogant. Den Begriff "Fashion" verbat sich Yamamoto dann auch. Lieber hört er "Schneider" oder "Handwerker": "Allein das Wort ist grauenvoll", sagt er, und dass ihn "diese Völlerei", körperbetonte Buntheit, Stilettos, eigentlich nur an das Elend auf den Straßen des Vergnügungsviertels erinnere, in dem er, geboren am 3. Oktober 1943, als Sohn einer Kriegswitwe aufwuchs, die Tag und Nacht an der Nähmaschine saß.

Als einziger Sohn musste er Jura studieren, bis er sie anbettelte, auf eine Modeschule wechseln zu dürfen. Als jahrgangsbester Absolvent verwendete er sein Preisgeld für eine Paris-Reise, nach der Rückkehr gründete er seine eigene Firma.

War sein Aufstieg zur Weltmarke ein Sieg japanischer Ästhetik? Vielleicht gerade, weil seine Generation konsequent auf alle Pastelltöne, auf Kimonoseiden und kalligrafischen Motive verzichten sollte. Die wären für einen Mann, der sagt, für ihn ende der Zweite Weltkrieg erst, wenn sein verschollener Vater heimkehre, vielleicht auch zu folkloristisch gedacht.

Yamamoto verließ sich, zumindest in den Anfangsjahren, auf dreizehn Töne Schwarz. Seine große Zeit, das war die Epoche der japanischen Wirtschafts-Supermacht, die sich aus den Trümmern ihrer Schurkenrolle während des Zweiten Weltkriegs erhob. Was von außen betrachtet stromlinienförmiger abzulaufen schien, als es sich im Inneren darstellte. Während sich das Land auf die Ausrichtung Olympischer Spiele vorbereitete und Yamamoto eine westlich ausgerichtete Jesuiten-Schule besuchte, veröffentlichten Künstler das Gutai-Manifesto, in dem es heißt, dass Schönheit erst faszinierend wird, wenn die Dinge zerstört sind, sich zersetzen.

Dass der Auftritt Anfang der Achtziger zwar den Westen schockierte, Yamamoto in Japan dafür aber bewundert wurde, konterkariert die Idee der Revolte: Es war eben der Zeitpunkt, zu dem Japan, das die Welt bis dahin vor allem mit billigen Autos und Elektronik überschwemmt hatte, sich als Produzent von höherwertigen Waren profilieren wollte. Im Jahr 1981 hatte man sich als einziges westlichen Land überhaupt schon von der Ölkrise erholt. In der Mode, einer der kompliziertesten Industrien überhaupt, überholte das Land alle Konkurrenz dann mit unerwarteter Lässigkeit. Schon im Jahr 1986 konstatierte das US-Magazin Time: "Wenn es derzeit - sagen wir - zehn große Modedesigner gibt, dann sind drei von ihnen Japaner. Issey Miyake, Rei Kawakubo und Yohji Yamamoto."

Er macht auch Adidas

Wie lange hält man das durch? Ende der Achtzigerjahre steckt Yamamoto Männer in Blümchendrucke, heute sind die Kleider knapper geschnitten und die Destruktion wird nur mehr zitiert: schlanke Einschnitte in den Schulterpartien, die weniger an Lumpen denn ungewöhnlich gesetzte Schlitze erinnern. Was nicht unbedingt wie ein Bruch wirkt, weil Yohji Yamamoto, als einer der Ersten, 2002 die Zusammenarbeit mit dem Mainstream suchte - mit der Sportfirma Adidas.

Seit er freihändig die drei Streifen verknoten darf, adelt er unter dem Label Y-3 nicht nur Streetwear mit Eleganz, sondern wagt sich unter dem Einfluss der Herzogenauracher auch an moderne Materialien, sportliche Silhouetten und ein funktional-grelles Farbspektrum. Das leuchtet jetzt auch auf den eher düsteren Pariser Defilees auf, als Einbruch in die "lackschwarze Dunkelheit", die, wie der Poet Tanizaki Jun'ichiro schreibt, der Osten so sehr schätze. Und wo sie wirken wie die vom Westen mit einer "glänzenden Helligkeit ausgestatteten Gespenster".

Dass Yamamoto irgendwann nicht mehr von Yamamoto geführt wird, ist Thema, seit die Firma nach der Finanzkrise vor vier Jahren von einem Investor vor der Insolvenz gerettet wurde. Doch der Namenspatron versichert, er werde weitermachen, bis "ich mit der Schere in der Hand sterbe".

Wobei der sportliche Yamamoto, Vorsitzender des Weltkarateverbandes, offensichtlich einen konkreten Termin im Kopf hat. Er träume davon, nach getaner Arbeit mit seinem alten Hund dem Tod entgegenzugehen. Den hat er sich allerdings erst im vergangenen Jahr als Welpen gekauft - es ist ein Akita, dessen Lebenserwartung bei etwa fünfzehn Jahren liegt.

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