Modetrend:Für Dealer und Styler - das Hüfttäschchen ist zurück

Hermes : Details - Paris Fashion Week - Menswear F/W 2017-2018

Die Bauchtasche, in Süddeutschland auch Wimmerl genannt, ist zurück. Hier ein Herrenmodell von Hermès.

(Foto: Getty Images)

In den Achtzigern war sie bei Müttern beliebt, später nur noch bei Disneyland-Dads und Drogenhändlern. Jetzt haben fast alle Designer die Bauchtasche wiederentdeckt. Doch das Ding richtig zu tragen, ist gar nicht so einfach.

Von Jan Stremmel

Ist das Ding nun schön oder scheußlich? Trägt man es vorne über dem Schritt, hinten im Hohlkreuz oder quer über die Brust geschnallt? Und wie nennt man es, Bauchtasche, Wimmerl, "fanny pack"? Eines steht jedenfalls fest: Das Ding ist zurück. Wer im Nachrichtenarchiv nach Berichten über das derzeit angesagte Hüfttäschchen sucht, muss sich zuerst durch einen Berg Polizeimeldungen graben: "Drogenhändler mit 510 Pillen in der Bauchtasche festgenommen", "Straßenräuber mit schwarzer Bauchtasche gesucht" oder auch: "Mutmaßlicher Terrorist hatte Granate in Bauchtasche".

Trotz aktueller Beliebtheit bei Leuten wie Karl Lagerfeld oder Kendall Jenner ist das Wimmerl offenbar noch immer tief in der kriminellen Halbwelt verwurzelt. Nicht umsonst firmiert die quer über der Brust getragene Version dieses Säckchens auch unter der Bezeichnung Dealertasche. Wann gab es im Handtaschen-Segment der Mode jemals so viel "street credibility"?

Von Alexander Wang über Missoni bis zu Chanel haben neuerdings fast alle Designer eine Bauchtasche in der Kollektion. Also das Accessoire, das außer bei Drogenhändlern auch bei jungen Müttern Anfang der Neunzigerjahre beliebt war - all die Fächer, so schön praktisch für den ganzen Baby-Kram. Heute freilich sind die Exemplare edel gestaltet, aus Wild-, Glatt-, Stepp- oder Schlangenleder, und außer der Trageweise erinnert nichts an die Polyesterbeutel von früher. Louis Vuitton bringt in der kommenden Herbstkollektion sogar eine "Bumbag" für mehr als 2000 Dollar heraus - in Zusammenarbeit mit der überaus hippen Streetwear-Marke Supreme.

Der funktionale, um die Hüfte getragene Beutel passt einerseits ideal zu den Achtzigern und Neunzigern, die aktuell überall durchzitiert werden. Und zum "Athleisure"-Trend, der in diesem Jahr auch Funktionsjacken und Laufschuhe modisch vertretbar macht. Zweckmäßigkeit darf also wieder eine Rolle spielen bei der Kaufentscheidung. Und in Sachen Praxisnähe dürfte kaum eine Taschengattung dem Wimmerl Konkurrenz machen. Schon der erste bekannte Träger wusste das praktische Täschlein zu schätzen und trug es bis ins Grab: der Gletschermann Ötzi. Sein Modell war aus Kalbsleder, er führte darin eine Knochennadel sowie einen Zunderschwamm mit sich, eine Art prähistorisches Feuerzeug.

Maximale Bewegungsfreiheit und Körpernähe sind die Vorteile der Bauchtasche - kein Wunder, dass sie auch später im alpinen Raum fortlebte, in der Neuzeit vor allem als Ausrüstung für Bergretter. In den Achtzigerjahren wurde die Tasche schick, Rapper und Wrestler zeigten sich öffentlich mit Känguru-Beutel. Die letzten 20 Jahre überlebte der dann unter Rennradlern und Disneyland-Dads in Amerika. Der nun erfolgte Aufstieg in die obersten Mode-Etagen ist also hart erkämpft.

Leonardo di Caprio trägt es auch

Dabei bringt das Hüftsäckchen, mehr noch als alle anderen reanimierten Modesünden, ein hohes Missverständnis-Risiko mit sich. Nicht jeder, der sich eine Bauchtasche umschnallt, wird dadurch automatisch als modisch versiert eingestuft. Leonardo DiCaprio etwa wurde kürzlich im Thailand-Urlaub fotografiert, der Schauspieler trägt auf den Bildern ein schwarzes Wimmerl vor dem Bauchansatz her - und erntete hämische Blogeinträge: Ob er darin wohl seinen endlich erhaltenen Oscar ausführe?

Die Bauchtasche hat es nicht leicht. Sie ist zu funktional, um auf den ersten Blick modisch zu wirken. Aber auch zu auffällig an der Körpermitte befestigt, um so unkommentiert zu bleiben wie, sagen wir, ein Jutebeutel. Und das große Rätsel, wie man sie denn nun richtig trägt - vor dem Bauch, über dem Gesäß? - ist nicht nur eine Frage des Stils. Sondern auch der Sicherheit. Die New Yorker Polizei hat das vor einiger Zeit via Twitter geklärt, mit einer Warnung vor Taschendieben. Die Bauchtasche nach hinten gedreht, das sei "scheußlich und leichtsinnig". Und nach vorne gedreht? "Immer noch scheußlich, aber wenigstens sicher."

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