Hotels:Nichts Ernstes

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Was kommt nach sterilen Designhotels? In Häusern von 25Hours setzt man auf einen Stilmix aus Spielzimmer und Edelhostel.

Von Gerhard Matzig

Nabokov hätte es womöglich gefallen im "25 hours Hotel Bikini Berlin". Schon wegen der großen Hängematte. Wenn man darin liegt respektive abhängt und chillt, kann man den Zoo sehen. Vladimir Nabokov war ja nicht nur einer der wichtigsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts ("Lolita") und ein begeisterter Hotelmensch, der die letzten 16 Jahre vor seinem Tod 1977 komplett im "Palace"-Hotel am Genfersee verbrachte. Sondern er war auch ein Tierfreund. Schmetterlinge hatten es ihm besonders angetan. Der Blick auf den Zoologischen Garten in Berlin hätte dem Poeten wohl gefallen.

Als hätten trunkene Seebären ihre Fantasien an die Wand gekritzelt

Das könnte wohl auch für das schmetterlingshafte Hotel-Motto des 25h-Ablegers in Berlin gelten, der im denkmalgeschützten (und vom Münchner Büro Hild und K Architekten feinnervig neuinterpretierten) "Bikini-Haus" untergebracht ist, also zwischen Zoo und Breitscheidplatz. "Rumble in the Jungle" ist das Thema, dem der Designer Werner Aisslinger im Auftrag der jungen Hotelkette seine ungewöhnliche Formkunst in Berlin gewidmet hat.

So ist an der Spree jene explosive Mischung aus Urbanität und Dschungel, Individualität und Abenteuer entstanden, aus Fahrrad an der Wand und Hängematte mit Aussicht, die man weniger als reales Hotel begreift - sondern eher als Tagtraum mit den Mitteln des Designs einerseits. Und der Designlosigkeit andererseits. Es geht bei den erfolgreichen 25-Stunden-Hotels im Kern um jene Möglichkeitsform der Individualität, die auch seriell herstellbar ist.

Weshalb Nabokov auch das 25 h in Hamburg in der Hafencity gemocht hätte. Schon wegen der Tapeten in den Zimmern, die teilweise die Aussicht auf den Hafen bieten, teilweise die Elbphilharmonie in den Blick nehmen. Die Tapeten tun jedenfalls so, als ob trunkene Seebären ihre erotomanischen Fantasien an die Wand gekritzelt hätten. Nabokov hatte die Badezimmerfliesen im Palace einst mit wunderschönen Schmetterlingszeichnungen veredelt. Aber die zarten Rundungen diverser Seemannsbräute im Hamburger Hotel haben auch eine gewisse Poesie.

Augenmerk wird bei den ungewöhnlichen Häusern der 2005 gegründeten Gruppe "25 hours Hotel Company" nicht nur auf die Einrichtung gelegt. Man achtet auch auf eine angemessene Belebung der gestalteten Räume und Flächen und versucht, Stadt und Gästen eine gemeinsame Bühne zu bieten. Deswegen gehören neben einem niedrigschwelligen Restaurant eine schwer authentische Burgerbude und die mondäne Bar dazu - als Lockangebote für die Einheimischen und Szeneversprechen für die Gäste, die sich in einem Stadthotel ja oft genug wie in einem Binnenstaat fühlen. Das klappt erstaunlich gut, aber eben nur, weil Bar und Burger auch sorgfältig inszeniert sind. In Berlin wurde die Monkey Bar des Hotels sogar zur besten Hotelbar Europas gekürt, prominente Barkeeper und DJs inklusive. Zu diesem Erlebniskonzept passt auch der Gestaltungsgrundsatz "kennst du eins, kennst du keins", nach dem jedes Haus ganz unterschiedlich von namhaften Architekten und Designern gestaltet wird, die sich dazu von den lokalen Gegebenheiten inspirieren lassen.

Berlin, Zürich, München. Und als Nächstes geht die Reise nach Paris

In wenigen Wochen, am 1. April, wird auch in Zürich ein 25 h eröffnet. Und im Herbst soll die erste Münchner Dependance folgen. Christoph Hoffmann, Mitgründer und geschäftsführender Gesellschafter der Hotelgruppe, wurde soeben zum Hotelier des Jahres 2017 gekürt. Er wird für die "DNA der Hotelgruppe" geehrt, die darin bestehe, "lokale Geschichten zu erzählen und maßgeschneiderte Konzepte zu verwirklichen". Die Firma ist mit diesem Konzept so erfolgreich, dass man um beständige Expansion kaum herumkommt und die Nachfrage steigt. Im nächsten Jahr wird es ein 25 h erstmals auch im nichtdeutschsprachigen Ausland geben, in Paris. Mit Blick auf das internationale Geschäft hat sich Hoffmann daher kürzlich einen Partner ins Boot geholt, die Accor-Gruppe gehört zu den größten Hotelbetreibern weltweit. Somit dürfte die Idee der 25 h demnächst um die Welt gehen.

Gut so. Denn man war der Idee pflichtdekorierten "Design-Hotels" doch schon etwas müde geworden. Die Häuser von Christoph Hoffmann zeigen mit ihrem architektonischen Ansatz eine Alternative auf. Wohnlichkeit entsteht hier nicht durch sterile, hochgedrehte Designästhetik, sondern im Ambiente eines gehobenen WG-Zimmers: wohnlich, aber ungewöhnlich. Ein bisschen durchgeknallt (Zirkus-Dekor in Wien!), ein bisschen Luxus (Schindelhauer-Bike im Zimmer in Berlin), lieber zu viele Farben als zu monoton. Botschaft: Nichts Ernstes! Die Raumgestaltung kommt ohne diese abgenudelte Sehnsucht nach klaren Fronten und minimalistischer Reduktion aus. Die wird heute anderswo oft so humorfrei zelebriert, dass allein der Versuch, die Designer-Armaturen im Hotelbad zu bedienen, für fatalistischen Frohsinn sorgt. Wenn auch nicht für einen angenehmen Aufenthalt.

Genau das schaffen die 25-Stunden-Filialen. So jung sie wirken, günstig sind die coolen Absteigen natürlich nicht. Aber wenn der Markt eines in den letzten Jahren gelernt hat, dann, dass das Versprechen von Individualität die Geldbeutel öffnet. Das zu wissen und es richtig umzusetzen, sind aber noch mal zwei Sachen. Kaltes Luxushotel war gestern, heute wollen viele Gäste lieber ein Haus, in dem man auch mal eine handfeste Wärmflasche ins Bett gesteckt bekommt. Für alle Fälle.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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