Geschmackssache:Knochenbrühe

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(Foto: Daniela White/Getty Images)

Ein Fond aus ausgekochten Knochen ist gesund, das wusste schon die Oma. Doch seit es heißt, die Brühe beuge gegen Cellulitis vor und sei besser als Botox, trinken die Leute das Zeug wie Wasser.

Von Marten Rolff

Das Auskochen angerösteter Knochen gehört zu den Basistechniken der klassischen Küche. Schließlich wären die besten Saucen ohne Fond nicht vorstellbar. Kochbücher zum Fondaufbau füllen Regalmeter, und wenn sich trotzdem lange kaum einer für selbstgemachte Fleischbrühe interessierte, dann hatte das vor allem zwei Gründe: Ihre Zubereitung ist zeitaufwendig und sie hat mit toten Tieren zu tun - eine Zumutung, die sich bei Filetspitzen und panierten Putengrillies ausblenden lässt, bei in Wasser schwimmenden Kalbsbeinscheiben jedoch lästig konkret wird. Doch diese Sicht der Dinge ändert sich gerade, in Küchen von LA bis Berlin werden neuerdings Tierteile ausgekocht, als hätte jeder Wohnblock die Hausschlachtung eingeführt. Foodblogger horten im Kühlschrank Hühnerknochen und Gemüseabfälle, deutsche Metzger-Start-ups gründen ihre Zukunft auf Fleischsaft in Flaschen, Profisportler begießen ihr Training mit Kraftbrühe, und in den USA eröffnet eine "Bone Broth Bar" nach der anderen ("Mit Tabasco, Garam Masala oder geräucherter Paprika?"), auch weil bekannt wurde, dass New Yorker für ihren "Broth to go" bis zu zehn Dollar zahlen. Wie es dazu kam? Irgendwer muss gemerkt haben, dass Brühe gesund ist. Natürlich hätte man da auch Oma fragen können. Doch es geht ja nicht mehr um Markklößchensuppe und Hühnerbrühe für Erkältete. Der Fleischsaft soll nun auch Cellulitis, Falten und Arthritis vorbeugen. Essig im Kochwasser und sanfte Garmethoden ziehen dafür das letzte Collagen aus dem Knochen, und Suppenrezepte heißen plötzlich "Better than Botox". Klingt schräg? Klar. Aber solange der Narzissmus die Menschen zurück zu Bocuse führt, ist er willkommen. Wer weiß, vielleicht entdeckt die Kosmetikindustrie bald auch den gefüllten Schweinsfuß wieder. Der strafft ungemein!

© SZ vom 21.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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