Geschmackssache: Ananas

Der erste deutsche Fernsehkoch Clemens Wilmenrod hat sich mit dem "Toast Hawaii" ein kulinarisches Denkmal gesetzt. Heute kommt die Ananas am besten ohne Brot auf den Grill.

Es ist nun 62 Jahre her, aber es gab tatsächlich eine Zeit, in der ein Koch berühmt werden konnte, wenn er ein altes Rezept geringfügig abwandelte. Die Rede ist vom ersten deutschen Fernsehkoch Clemens Wilmenrod, der 1955 die verschwenderische Frechheit besaß, vor den Augen seines atemlosen Nachkriegspublikums Butter, Schinken, Ananas, Käse und eine kandierte Kirsche auf Weißbrot zu stapeln und sich so mit dem "Toast Hawaii" ein kulinarisches Denkmal zu setzen. Es spielte keine Rolle, dass Wilmenrod eigentlich Schauspieler war, gar nicht kochen konnte und das Rezept womöglich von einem Konkurrenten geklaut hatte, der wiederum von einem verdächtig ähnlichen amerikanischen Sandwich abgekupfert haben könnte. Den Erfolg erklärten die Exegeten später damit, dass Wilmenrod die Sehnsüchte einer ganzen Generation auf eine Scheibe Brot gepackt hatte: Ananas! Diese damals rare exotische Aromabombe, mit Noten von Kokos, Karamell, Rum und Vanille, genial dreist kombiniert mit fettem Käse und salzigem Schwein - unglaublich! Viele halten das Rezept heute für ordinär, aber das ist purer Dünkel. Denn Hartkäse enthält mit Ananas verwandte Aromen, und nicht ohne Grund empfiehlt der Verband der Parmaschinken-Hersteller Ananas als ideale Begleiterin. Auch auf dem Grill besteht die Südfrucht blendend. Das Fachwerk "Grillen und Räuchern" schlägt daher vor: frische Ananas-Scheiben salzen und kurz ziehen lassen, mit im Mörser zerstoßener Fenchelsaat, gehackten getrockneten Tomaten und frischem Basilikum würzen, mit Parmesan bestreuen und in Wacholderschinken-Scheiben hüllen. Wer das Ganze beidseitig vier Minuten grillt, hat postmodernes "Toast Hawaii" vom Rost - ohne Brot. Wilmenrod wäre entzückt.