Fashionspießer zu Parkas mit Mädchenärmeln:Wie verkochtes T-Bone-Steak

Lesezeit: 2 min

Schockierend: Ein Parka mit Mädchenarmen. (Foto: Süddeutsche.de)

Ob ihnen die Geschichte des Kleidungsstücks zu blutig ist? Jedenfalls tragen derzeit viele Frauen Parka nur noch mit Mädchenärmeln. Aber dann können sie auch gleich Babykatzen auf Sweatshirts drucken lassen.

Von Lena Jakat

Es gab eine Zeit, da hingen aus unifarbenen T-Shirts unten gestreifte Lappen heraus, und aus gestreiften T-Shirts unifarbene Lappen. Das sollte den Eindruck erwecken, man trage zwei Shirts übereinander. Lagen-Look, Pseudo-Zwiebel Prêt-à-porter in einem Kleidungsstück. Dass sich das nicht so recht durchgesetzt hat, könnte daran liegen, dass es bei einer echten Zwiebel einfach mehr zu schälen gibt. Einen aktuellen Trend optischer Täuschung konnte das Ende des Doppelshirts leider nicht verhindern: den zur Pseudo-Weste.

Eine MacGyver-mäßige Outdoor-Weste mit vielen praktischen Taschen für Angelhaken und Waldmeister-Lippenbalsam, meist in militärmatschigem Olivgrün oder staubgrauem Khaki - perfekten Tarnfarben für einen Mai wie diesen. Ein zweiter Blick jedoch offenbart Schockierendes: Die Weste ist gar keine Weste. Sondern ein Parka. Ein Parka mit Mädchenarmen.

Denn an den Schultergelenken entwachsen dem kernigen Männerkleidungsstück Ärmel aus einem Material, das bei einem echten Parka sicher niemals mitspielen dürfte - vorzugsweise aus Kunstleder oder Paillettenstoff. Die jungen, selbstbewussten Frauen, die sich vor allem zu diesen Fremdärmeln hingezogen zu fühlen scheinen, verstecken sich nicht länger in Streetstyle-Blogs, wo man sie einfach wegklicken könnte, sondern zeigen sich in ihren Wolpertinger-Outfits auch auf den Straßen und Cafés der Städte. MacGyver würde vor Verzweiflung einem Krokodil in den Rachen springen.

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Wir tragen Bürzelblusen mit Poposchürze, laufen eingepackt wie Polarforscher durch die Stadt und legen uns meterlange Schalschlingen um den Hals. Warum nur? Aktuelle Modetrends, aufgespießt in der wöchentlichen Kolumne.

Nun kann die Antithese aus grob und fein ja durchaus eine reizvolle sein: Cowboystiefel zu Feinstrumpfhosen, Seidenbluse zur Jeans, Feldsalat zum englisch gebratenen T-Bone-Steak, Hayden Panettiere und Wladimir Klitschko. Das funktioniert aber nur, wenn das Grobe auch grob sein darf.

Der Mantel der Inuit und GIs

Das Wort zum Bekleidungsklassiker Parka - angeblich von einem deutsch-französischen Naturforscher namens Adelbert von Chamisso im frühen 19. Jahrhundert ins Deutsche importiert - kommt aus der Sprache der Inuit und bedeutet in Alaska so viel wie "wärmender Mantel aus Seehundefell". Später, in den 1940er Jahren entdeckten die Militärausstatter den wärmenden Anorak für ihre Truppen, erst in den Staaten, dann in der Bundesrepublik.

Seehunde zum Anziehen? Die spinnen wohl, die Inuit! Damit können sie der ökologisch korrekten Konsumgesellschaft gestohlen bleiben - genauso wie dereinst die Lappen. Und Mode aus dem Schützengraben? Igitt. Ist da vielleicht noch Blut dran?

So was Martialisches kommt den Stadtabenteurerinnen von heute nicht in die Einkaufstüte. Das gute Stück muss zwangszivilisiert werden. Mit blinkenden Metallplättchen an den Ärmeln. Das ist ein bisschen so, als müsste man ein Steak kochen, damit seine Konsistenz besser zu den sanften Blättern des Vogerlsalats passt. Oder als würde Hayden ihren Klitschko nur noch mit selbstgestrickten rosa Fäustlingen in den Ring lassen.

Mädchen, wenn ihr Mädchen sein wollt, dann tragt Paillettenshirts mit Paillettenärmeln. Das ist völlig in Ordnung. Und wenn ihr es gern mal ein bisschen draufgängerischer hättet und nach "Rehe beobachten im Matschnebel" aussehen wollt, dann tragt Parka. Mit richtigen Parka-Ärmeln. Das ist wie mit feuchtem Klopapier oder trockenem. Es gibt kein dazwischen.

Wenn euch die knielange Jacke mit ihrer blutigen Designgeschichte zu brutal ist, dann lasst euch Babykatzen aufs Sweatshirt drucken.

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