"Bulletproof Coffee":Kaffee, der kickt

Lesezeit: 4 min

Kaffee mit Butter und Kokosöl ist der neueste Zaubertrank. Ob er wirkt? (Foto: Christina Metallinos)

Fettreduzierter Milchschaum und Karamellsauce im Latte macchiato waren einmal. Jetzt rühren Menschen Öl und Butter in ihren Kaffee und nennen ihn "Bulletproof Coffee". Wie schmeckt das angebliche Energiewunder?

Von Christina Metallinos

Man nehme eine Tasse besten Filterkaffee. So weit, so alltäglich. Die einen trinken ihn gerne schwarz, die anderen mit viel Milch, wieder andere süß. Nicht so Dave Asprey. Statt sich morgens die Butter aufs Brot zu schmieren, versenkt er ein ordentliches Stück davon im Kaffee. Und weil das noch nicht genug Fett ist, kommt noch ein Esslöffel Öl hinterher.

Asprey ist Unternehmer im Silicon Valley und hat nach eigener Aussage 45 Kilo in zehn Jahren abgenommen, ohne Kalorien zu zählen. Diät und Lebenstipps vermarktet er über eine eigene Firma und Website. War der Kaffee bisher die womöglich letzte Bastion der Ernährung, die von Diäten weitgehend verschont blieb, so wird er gerade unter Anhängern der Paleo-Diät im Moment als Energielieferant schlechthin propagiert. Der selbstgeschriebenen Legende zufolge stieß Asprey bei einer Bergtour in Tibet auf den dort üblichen Tee mit Butter. Daraus entwickelte er seinen sogenannten "Bulletproof Coffee".

Fitnessjunkies und Diätgurus in den USA verhelfen diesem angeblich "kugelsicheren Kaffee" aktuell zu einem Hype. Anhänger der Paleo-Diät, die auf eine Ernährung wie zur Steinzeit setzt, schwören darauf. Erfahrungsberichte im Netz und das Rezept des Erfinders weisen darauf hin, dass nicht irgendeine Butter und nicht irgendein Öl in irgendeinen Kaffee kommen dürfen. Erst Weidelandbutter von grasgefütterten Kühen und Öl mit einem hohen Anteil sogenannter mittelkettiger Triglyceride, etwa natives Kokosöl, machen den Kaffee angeblich zum Supergetränk. Was kann er tatsächlich, der Superkaffee? Und wie schmeckt das überhaupt?

Ein Selbstversuch

Ich bin kein Mitglied der Latte-macchiato-Fraktion. Dennoch bin ich nicht zimperlich, was Fett im Kaffee betrifft. Bei Familienfeiern ignoriere ich die Milch und gehe stattdessen mit der Sprühsahne auf meinen Filterkaffee los. Im Alltag trinke ich ihn mit zwölfprozentiger Kaffeesahne. Und einem Löffel Zucker. Falls irgendwo nur Magermilch zur Hand ist, bleibt der Kaffee schwarz. Aber süß, das muss er immer sein.

Insofern stellt mich die Vorstellung vom Bulletproof Coffee vor zwei Probleme. Zum einen, dass besagter Zucker nicht in den Kaffee darf. Das andere Problem ist die eher eklige Vorstellung von Fettaugen, die mich am Morgen, auf schwarzem Kaffee schwimmend, ansehen werden. Ich gehe ins Bett und will eigentlich gar nicht, dass der Morgen kommt.

Fett und Fett in die Tasse und alles kurz pürieren. (Foto: Christina Metallinos)

8:20 Uhr Zeit zum Aufstehen. Ich merke schon, dass ich eher mies gelaunt bin. Ich habe Hunger. Und ich will Frühstück.

8:50 Uhr Wie gewohnt brühe ich mir eine große Tasse Filterkaffee auf. In den kommen nun die Butter und das Kokosöl, die beide sofort dahinschmelzen. Ich rede mir ein, dass zumindest die Butter ja ohnehin auf meiner Frühstückssemmel gelandet wäre und halte den Pürierstab in die Fettaugen.

9:00 Uhr In meiner Lieblingstasse sieht der Kaffee eigentlich aus wie immer, nämlich hellbraun. Nur die dicke Cremeschicht darauf ist sonst eher ein Phänomen der besagten Familienfeiern. Der erste Geschmackstest ist gar nicht einmal schlecht. Zum ersten Mal in meinem Leben fehlt mir der Zucker nicht, dafür gefällt mir die dezente Kokosnote umso besser.

9:06 Uhr In kleinen Schlucken schlürfe ich den Kaffee. Je mehr ich trinke, desto großartiger schmeckt er, sahnig, cremig, er verbreitet eine wohlige Wärme im Bauch. So habe ich mir immer Butterbier in den Harry-Potter-Büchern vorgestellt. Schnell komme ich jedoch nicht voran. Dafür ist er zu mächtig. Und ich glaube, man spart sich jede Lippenpflege. An denen hängt nämlich ein richtig dicker Fettfilm.

9:15 Uhr Ich arbeite meine E-Mails ab und lese Nachrichten. So ein flüssiges Frühstück hat auch Vorteile. Allerdings merke ich, dass der Inhalt meiner Kaffeetasse kaum noch nach Kaffee schmeckt. Das, was ich an ihm liebe - die leicht bittere, samtige Note, die fast schon schokoladig schmeckt -, wird übertüncht und neutralisiert von Fett.

9:26 Uhr Die Tasse ist leer, nach 20 Minuten. Rekord, sonst geht das deutlich schneller. Satt bin ich, dafür ist mir leicht übel.

Bulletproof Coffee wirkt wie Popeyes Spinat. (Foto: Christina Metallinos)

9:37 Uhr Ich kann mich nicht erinnern, jemals so weiche Lippen gehabt zu haben. Nur frage ich mich, ob die jemals wieder geküsst werden, wenn ich mich nur von gefettetem Kaffee ernähre.

9:45 Uhr Auch ohne Frühstück bin ich plötzlich ganz glücklich und sogar richtig motiviert. Die Übelkeit ist wieder verschwunden. Womöglich explodieren gleich meine Arterien, allein zu Hause zu sitzen ist da vielleicht nicht so gut. Also gehe ich besser unter Leute. Und wo lässt sich der angebliche Energieschub besser testen als im Fitnessstudio?

10:20 Uhr Das letzte Mal war ich vor etwa sechs Wochen im Studio, das bedeutet normalerweise noch mehr Qual als sonst schon. Die Trainerin im Aerobic-Kurs schreit. Ich pariere. Die Frauen neben mir brechen ab. Ich mache weiter. Noch ein paar Sit-ups, noch ein Hampelmann. Das geht gut. Erstaunlich gut sogar.

11:05 Uhr Der Kurs ist vorbei. Ich bin seit fast drei Stunden wach und habe nichts außer einer Tasse Butterkaffee zu mir genommen. Hunger? Fehlanzeige. Kraft? Noch da. Also noch ein wenig was für die Ausdauer tun.

11:35 Uhr Das Fernsehprogramm am Crosstrainer ist mies, ich langweile mich und höre auf. Ins Keuchen bin ich bei der üblichen Belastung nicht gekommen. Hunger habe ich immer noch keinen. Was für Popeye der Spinat war, scheint für mich der gebutterte Kaffee zu sein. Seine Apostel haben nicht zu viel versprochen.

12:10 Uhr An der Getränketheke wird gerade Kaffee aufgebrüht. Der Duft verspricht das, was ich am Morgen beim gebutterten Kaffee vermisst habe. Hunger habe ich immer noch nicht - einen Kaffee gibt's jetzt aber trotzdem. Ohne Butter, ohne Öl - aber Kaffeesahne und Zucker, bitte.

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