Zweite Fußball-Bundesliga:Fränkische Grenzen

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Die Fußball-Traditionsklubs 1. FC Nürnberg und SpVgg Greuther Fürth konkurrieren in der zweiten Liga, müssen zum Jahresanfang 2016 aber beide heftige personelle Umbrüche moderieren.

Von Christoph Ruf

Das Schicksal hat es gut gemeint mit Alessandro Schöpf. Während seine ehemaligen Kollegen beim 1. FC Nürnberg den Freitagnachmittag in einem Kraftraum verbrachten, durfte der 21-Jährige die Beine hochlegen. Und das auch noch in einem Flugzeug nach Orlando/Florida, mit dem der Mittelfeldspieler nach seiner Unterschrift am Donnerstag zu seinen künftigen Schalker Mitspielern ins Trainingslager hinterher reiste. Derweil dürfte sich der eine oder andere Club-Profi gefragt haben, ob die fulminante Aufholjagd vor Weihnachten in der zweiten Liga denn nun umsonst gewesen ist.

Fünf Siege in Serie feierte Nürnberg, das auch deshalb auf Platz drei überwintert, weil Schöpf nicht nur sechs Tore schoss und derer vier vorbereitete, sondern nach ziemlich einhelliger Meinung einer besten Individualisten der Liga war. "Ihn eins zu eins zu ersetzen, ist fast unmöglich", sagt dann auch Andreas Bornemann. Der Nürnberger Sportdirektor fürchtet dennoch nicht um die Moral seiner Mannschaft. "Uns hat ja gerade ausgezeichnet, dass die Tore auf so viele Schultern verteilt waren." Tatsächlich trafen elf verschiedene Club-Profis aus einem Kader, den Bornemann trotz der Abgänge von Schöpf und Stefan Kutschke (zu Dynamo Dresden) noch zu groß findet. Dass der FCN sparen muss, ist nichts Neues, dass er das auch tut, hingegen schon.

Alessandro Schöpf, 21, zog dem Club jetzt Schalke vor. Stephan Schröck (r.) muss Fürth verlassen und sich einen neuen Verein suchen. (Foto: dpa (2))

Auch 13 Kilometer westlich vom Nürnberger Valznerweiher herrscht Trennungsschmerz - die Anhänger der SpVgg Greuther Fürth haben den Verlust von Stephan Schröck zu vergegenwärtigen, dem Trainer Stefan Ruthenbeck nahegelegt hatte, sich einen neuen Verein zu suchen. Ausgerechnet Schröck, das Eigengewächs, der sich so episch über die Siege gegen den FCN freuen konnte, wie das nur Spieler können, denen nicht erst der Trainer von der Brisanz des Derbys erzählen muss.

Seither hat in der Kleeblatt-Stadt allerdings eine Diskussion an Fahrt aufgenommen, die seit Jahren gärt: Die, ob das viel beschworene Idyll, in dem Präsidentengattin Karin Hack den Kuchen für den Presseraum backt und jeder jeden kennt, noch etwas mit der Realität zu tun habe.

"Die Kleeblatt-Familie ist nicht nur der Kuchen meiner Frau", widersprach SpVgg-Präsident Helmut Hack am Freitag. Ein paar Atemzüge später dementierte er auch noch, dass die jüngst recht schnellen Rochaden auf der Sportdirektorposition etwas mit seinem eigenen Machtanspruch zu tun haben. Zuletzt hatte ja zum Jahreswechsel Michael Mutzel erklärt, er trete "aus persönlichen Gründen" von seinem Amt zurück - wie das in den Jahren zuvor bereits Bornemann, Rouven Schröder und Rachid Azzouzi wortgleich getan hatten. Doch auch wenn am Freitag noch einmal darauf hingewiesen wurde, dass Mutzel die Formulierung zum Abschied selbst gewählt habe - in Wirklichkeit stießen alle SpVgg-Sportdirektoren irgendwann an die Grenzen, die in Fürth nur einer setzt: Helmut Hack.

Schon Azzouzi kündigte 2012, weil er nach fünf Jahren als Sportdirektor mehr sein wollte als ein Lehrling des Präsidenten, der dessen Aufgaben im Aufstiegsjahr dann ja auch offiziell selbst mit übernahm. Auch Schröder, der ein paar Monate später vom Scout zum Sportlichen Leiter befördert wurde, machte bei seinem Weggang zum SV Werder Bremen "persönliche Gründe" geltend. Die gab es auch. Schließlich lebt Schröders Familie im fernen Schleswig-Holstein. Doch den Trennungsschmerz hätte er im Fränkischen sicher eher überwunden, wenn er dort etwas mehr zu sagen gehabt hätte.

Schröders Nachfolger Bornemann, der pikanterweise derzeit bei Lokalrivale und Ligakonkurrent 1. FC Nürnberg mit viel Wohlwollen begleitet wird, merkte hingegen schon nach wenigen Tagen, dass in der Fürther Führungsetage nicht unbedingt flache Hierarchien herrschen - und schmiss hin.

Mutzels Nachfolger Ramazan Yildirim, der diesen Freitag vorgestellt wurde, passt wie die Faust aufs Auge ins Anforderungsprofil von Hack: Fußballerische Kompetenz bringt der 40-Jährige als ehemaliger Trainer des Nord-Regionalligisten VfB Lübeck mit. Zudem weiß Yildirim, wem er seinen Aufstieg verdankt und wer daher von ihm auch Loyalität und Folgschaft zu erwarten hat.

Das Lager der Hack-Fürsprecher ist in Fürth inzwischen etwa gleich stark wie das derjenigen, die finden, dass der 66-Jährige den optimalen Zeitpunkt verpasst hat, sich das verdiente Denkmal zu setzen. Viele haben dem drahtigen Unternehmer nicht vergessen, dass die Fürther Spielvereinigung ohne sein Engagement Mitte der Neunziger Konkurs gegangen wäre. Und wenn das Kleeblatt seit 1997 nie mehr unterhalb der zweiten Liga gekickt hat, ist das tatsächlich primär das Verdienst von Hack, der den Verein sparsam aber solide führt und die Infrastruktur trotz sichtlichen Modernisierungsrückstand Stück für Stück weiterentwickelt hat. Hack hatte am Freitag auch eine andere Erklärung für die hohe Fluktuation auf dem Managerposten. "Jeder, der hier angefangen hat, war vorher ein leeres Blatt. Alle sind hier besser geworden. Irgendwann können wir ihnen dann nichts mehr bieten." Fragt sich nur, warum das so ist.

© SZ vom 09.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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