WM 2010: Träsch fällt aus:Falltür Sechserposition

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Nach Rolfes, Hitzlsperger und Ballack fällt nun auch der Stuttgarter Christian Träsch wegen einer Verletzung für die WM aus. Dennoch nominiert der Bundestrainer keinen Spieler nach und glaubt an "mehrere Optionen" im Kader.

Thomas Hummel

Philipp Lahm ist einer der drei letzten Südafrika-Fahrer, die in dem südtiroler Ort Girlan mit der wunderbaren Aussicht auf die Dolomiten eintreffen. Der erste Tag beim DFB-Tross könnte dann gleich ziemlich turbulent werden für den 26-Jährigen aus München, denn zunächst will Bundestrainer Joachim Löw ja seinen Kapitän für die WM in Südafrika bekanntgeben. Und da gilt Lahm derzeit als Favorit.

Bitterer Moment in der Karriere von Christian Träsch: Der Stuttgarter verlässt von Betreuern gestützt das Spielfeld und muss später für die WM absagen. (Foto: dpa)

Vielleicht wird ihn Löw aber gleich von einer zweiten Sache unterrichten, die sich das DFB-Trainerteam so ausgedacht hat in den vergangenen, unheilbringenden Tagen: Dass Lahm nun der erste Nachrücker im defensiven Mittelfeld ist, falls das Duo Schweinsteiger/Khedira nicht den Ansprüchen genügt.

Die Position des Sechsers wird in dieser Mission WM 2010 sukzessive zur Falltür: Immer, wenn dort ein Profi scheinbar angedockt hat, fällt er kurz darauf aus der Mannschaft. Torsten Frings war der Erste (Löw hält den 33-Jährigen nicht mehr für gut genug), Simon Rolfes der Zweite (Verletzung im Januar), Thomas Hitzlsperger der Dritte (fürchterliches Formtief), Michael Ballack der Vierte (Verletzung) - und nun ist Christian Träsch der Fünfte.

Der 22-Jährige vom VfB Stuttgart war im Testspiel am Montagabend gegen den FC Südtirol bei einer Rettungsaktion ohne gegnerische Einwirkung in den Umgrenzungszaun gerutscht und dabei umgeknickt. Der VfB-Profi verließ gestützt auf Assistenzcoach Hansi Flick und Mannschaftsarzt Dr. Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt mit schmerzverzerrtem Gesicht das Spielfeld im Sportzentrum Rungg in Girlan.

Wenig später erreichte den DFB die Diagnose: Schwere Kapsel- und Bandverletzung am rechten oberen Sprunggelenk, 14 Tage Trainingsverbot, danach vier Wochen Reha, WM-Aus für Träsch. "Wir bedauern das sehr, dass Christian Träsch uns nicht zur Verfügung steht in Südafrika", sagte Assistenztrainer Hans-Dieter Flick. Träsch habe sowohl in der Saison beim VfB Stuttgart als auch in den vergangenen zwei Wochen im DFB-Trainingslager "absolut überzeugt und er wäre auch im endgültigen Kader gewesen", sagte Flick. Für den Spieler sei das natürlich sehr bitter.

Dass nun schon wieder ein eingeplanter Kandidat für das defensive Mittelfeld ausfällt, hat für die DFB-Trainer sicher auch einen bitteren Beigeschmack. "Wir sind da nun dünn gesät", verriet Flick ein wenig blumig. Träsch wäre nach Khedira und Schweinsteiger der einzige Profi im Kader gewesen, der im Laufe der Saison bei seinem Verein regelmäßig im defensiven Mittelfeld gespielt hat. Was nun? Doch Mats Hummels einladen? Oder gar Torsten Frings zu einer Rückkehr beknien? "Wir werden keinen anderen Spieler nachnominieren", verkündete Flick.

Es gebe mehrere Optionen auf dieser Position, Flick nannte Heiko Westermann und Dennis Aogo. Auf die Nachfrage, ob denn auch Philipp Lahm eine der mehreren Optionen sei, grinste Flick und sagte: "Ich muss hier ja nicht alles verraten."

Diese Nicht-Antwort muss nun nicht bedeuten, dass der Münchner tatsächlich ins Mittelfeld berufen wird. Erst einmal wird es Löw mit Schweinsteiger und Khedira versuchen, diese Konstellation mit zwei technisch starken Ballsicherern mit der Fähigkeit zum schneidenden Pass in die gegnerische Abwehr in der Zentrale gefällt dem Bundestrainer. Doch ganz ohne Ersatzvariante kann die deutsche Mannschaft nicht in ein WM-Turnier starten.

Lahm hat in seiner Karriere genau einmal bei einem öffentlichkeitswirksamen Spiel die defensive Mittelfeldrolle ausgefüllt, am 22. August 2007, beim 2:1-Sieg im Wembley-Stadion gegen England. Nach kurzer Eingewöhnungszeit wuselte sich Lahm zum besten Spieler auf dem Platz, klaute dem Gegner ständig die Bälle, stellte Passwege zu und inszenierte eigene Angriffe. "Man kann ihn einfach überall hinstellen, er macht es immer gut. Er ist nun schon so erfahren", lobte Teammanager Oliver Bierhoff damals.

Naheliegend wäre indes auch ein Systemwechsel hin zu einer zentralen Figur im Mittelfeld. Gegen den FC Südtirol wählte Löw bereits eine 4-1-4-1-Aufstellung. Doch auch das ist nicht ganz ohne Risiko, weil sowohl Schweinsteiger als auch Khedira von der offensiven Achter-Position herkommen, und in ihren Vereinen defensiv orientierte Partner haben (van Bommel, Träsch).

Wie es Löw auch dreht und wendet, er wird nun wohl jeden Abend, an dem nichts passiert ist, eine Kerze in der Pfarrkirche des Heiligen Martin von Tours in Girlan aufstellen. Am Dienstagvormittag schickte er seine Spieler (außer die gerade eingetroffenen Bayern-Spieler Klose, Gomez, Badstuber und Müller) zu einer Fahrrad-Tour in die umliegenden Berge und Hans-Dieter Flick kommentierte halb ironisch, halb galgenhumorisch: "Wir sind froh, dass alle wieder gesund zurück sind. Poldi und Kießling hatten allerdings Plattfüße."

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