WM-Tagebuch "Blog do Brasil":Schlaaaand in Ipanema

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Am Strand von Ipanema rollt der Ball (Foto: Getty Images)

Egal ob brasilianischer Superman mit Fuleco-Hut oder der Argentinien-Fan: In Ipanema jubelt nicht nur die einzige Deutsche beim Finale, sondern am Ende die ganze Bar. Was SZ-Reporter bei der WM erleben.

Von Michaela Metz, Rio de Janeiro

Die meisten Argentinier, die schon seit Tagen Rio de Janeiro einnehmen, haben sich während des Spiels wohl beim Fanfest in Copacabana versammelt. Gleich nebenan, in Ipanema, hält sich die blau-weiße Invasion in Grenzen. Der ganze Wahnsinn scheint am Felsen Arpoador abzuprallen und hier nur abgeschwächt anzukommen.

In der kleinen Bar Manoel & Joachim platziere ich schon mittags meine schwarz-rot-goldenen Fähnchen auf dem Tisch. Hier gibt es vier große Bildschirme, da kann ich eigentlich nichts verpassen. Doch weit und breit scheine ich der einzige Deutschlandfan zu sein. Keine Fahnen, keine DFB-Shirts. Kein Schweinsteiger, kein Klose, kein Goetze in Sicht. Jetzt wäre es vielleicht doch schön, das Spiel in Berlin oder München zu sehen. Zum Glück setzt sich dann doch noch ein deutschstämmiges Paar aus Kanada an den Nebentisch. Die Frau trägt sogar das deutsche Trikot.

Doch dann kommen mir die Brasilianer zur Hilfe. Einige haben sogar deutsche Flaggen dabei! Sie ziehen sich ihre rot-schwarzen Flamengo-Shirts über und halten Deutschland die Daumen. Oder sie wünschen sich vielmehr, ihr Erzfeind Argentinien möge verlieren. Uns verbindet sozusagen der gleiche Gegner und das macht uns an diesem Abend zu Freunden. Trotz der grauenhaften Niederlage der Brasilianer gegen Deutschland. Unversehens bin ich wohl mitten in der deutschen Fankurve Ipanemas gelandet. Auch wenn ich der einzige Fan bin, der auch deutsch spricht. Was soll's! Darauf kommt es doch auch gar nicht an!

Ausgerechnet meine Tischnachbarn halten eisern zu Argentinien. Sie wünschen sich, dass der Pokal, wenn schon nicht in Brasilien, so doch wenigstens in Lateinamerika bleibt und dieser Triumph nicht nach Europa, in die sogenannte Erste Welt geht. Doch während des Spiels kippt die Stimmung mehrmals. Verwirrung! Die Deutschen spielen phantastisch! Sie sind sympathisch! Beide Mannschaften spielen mit vollem Körpereinsatz, doch die Deutschen reichen ihrem gestürzten Gegner immer wieder die Hand, formulieren Gesten der Entschuldigung. Das kommt gut an. Werden sie also vielleicht doch in mein Lager überlaufen?

Nach dem erlösenden Tor von Mario Götze tobt die ganze Bar! Die Leute springen von ihren Stühlen, kreischen, singen und tanzen! Ein brasilianisch grün-blau-gelber Superman mit Fuleco-Hut liefert eine komische Showeinlage. Und plötzlich springt auch meine Tischnachbarin auf. "Schlaaaaand!" ruft sie und wedelt mit meinen Fähnchen. Gut, dass ich ihr diesen Schlachtruf vor dem Spiel noch beigebracht habe.

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