Wintersport:"Wenn mir Snowboarden nicht so viel bedeuten würde, hätte ich vor tausend Jahren hingeschmissen"

Lesezeit: 3 min

Freigeist: Auf Snowboarderin Silvia Mittermüller ruhen die WM-Hoffnungen des deutschen Verbands. (Foto: Cameron Spencer/Getty )
  • Silvia Mittermüller ist Freestyle-Snowboarderin, mit 32 Jahren will sie es endlich zu den Olympischen Winterspielen schaffen.
  • Dabei blickt Mittermüller auf eine schwere Sportkarriere, während der sie oft ein Nomadenleben führte.
  • Mit dem deutschen Snowboard-Verband arbeitet sie zusammen, um ein Fördersystem für andere Freestyle-Snowboarder zu schaffen.

Von Johannes Knuth, München

Der Schnee ist nicht das Problem, sagt die Snowboarderin Silvia Mittermüller. In Breckenridge/Colorado, wo Mittermüller ihren Stützpunkt für die Saison eingerichtet hat, schneit es auch in diesem Winter verlässlich, auf bis zu 4000 Metern, anders als im warmen Europa.

Es gibt zwei Jahreszeiten in Breckenridge, sagen sie, Winter und Juli. Für Mittermüller, Snowboarderin aus dem kleinen deutschen Freestyle-Ressort, ist es nur halt ein teures Unterfangen, sich einen Winter auf der Spielwiese in Colorado mit seinen Pipes und Kickern zu leisten. Wobei sich die 32-Jährige in der Szene auskennt. Sie ist ins offizielle Snowboard-Team des Resorts gerutscht, der Saisonpass fiel ihr gratis zu.

Sie wohnt bei einer Familie "in einem Garagenappartement". Zum Bus oder zur Gondel radelt sie mit dem Fahrrad, mit dem Snowboard unter dem Arm. Das Leben auf der Profitournee kann "sauhart" sein, sagt sie. Mittermüller findet aber auch: "Gerade weil es so hart ist, bedeutet es einem noch einmal mehr, wenn man etwas schafft."

Verhältnis zum Verband ist vorbelastet

Silvia Mittermüller aus München ist seit Jahren die beste deutsche Freestyle-Snowboarderin, Fachgebiet Slopestyle, einer Fahrt durch einen Parcours mit Sprüngen und Geländern. Sie hat acht, vielleicht neun Mal bei den X-Games mitgemacht, der amerikanischen Trendsport-Messe, so genau weiß sie das nicht mehr.

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2005 gewann sie dort Silber, sie hat auch sonst bei so ziemlich jedem Contest mal vorbeigeschaut. Nur Olympia, "das ist das einzige, was noch fehlt". Mal waren es Verletzungen, die sie bremsten, vor Sotschi 2014 riss die Achillessehne. Das andere war die Beziehung zu Snowboard Germany, dem deutschen Verband, der ihre Förderung schon eingestellt hatte. Und jetzt, für die Spiele 2018, wieder auf Mittermüller setzt. "Man kann das eine Rückkehr nennen", sagt sie: "Es ist ein schwieriges Thema."

Nach Sotschi war das Thema fast beendet. Die Sporthilfe förderte nicht mehr, Mittermüller protestierte: Olympia, das wollte sie sich nicht nehmen lassen, "auf meine alten Tage". Die Wettkampf-Szene der Snowboarder ist ein Feld, das sich nicht so leicht bestellen lässt, da die Alpinen, die für Deutschland in den Parallelrennen diverse Medaillen beschafft haben; dort die Freestyler wie Mittermüller, die in Deutschland lange kaum unterstützt wurden, weder finanziell, noch durch Infrastruktur.

Das deutsche Fördersystem ist nun mal "ein Belohnungssystem", hat Mittermüller festgestellt. Allein: Bei den kommenden Winterspielen stellen die Freestyler erstmals die meisten Disziplinen: Halfpipe, Slopestyle und Big Air, ein Sprung über einen großen Kicker. Der Verband war dann also doch recht dankbar für Mittermüllers Ehrgeiz. Nur Förderströme könne man erst einmal nicht anzapfen, sagten sie, sorry.

Mittermüller war überrascht, andererseits hatte sie sich ja jahrelang als freischaffende Snowboarderin durchgeschlagen. "Ich bin eine moderne Nomadin", sagt sie. Als sie in einer Hotel-Lobby einmal Klavier spielte, lernte sie eine Familie kennen, die ihr später eine Unterkunft in einem Skigebiet in Amerika vermittelte. Physiotherapie? "Ich habe einen Freund, der mich massiert, wenn ich ihn anbettele", sagt Mittermüller, sie lacht.

Sie reichte im vergangenen Winter dann auch genügend passable Ergebnisse ein, so dass ihr Verband um sie herum ein kleines Fördersystem hochziehen konnte. Sie übernehmen jetzt die Reisekosten, "das hilft mir wahnsinnig, weil ich das allein von meinem Sponsorensupport nicht stemmen könnte", sagt Mittermüller. Ihr Budget war davor auf einen vierstelligen Eurobetrag geschmolzen, fürs ganze Jahr. Sie sagt: "Wenn mir Snowboarden nicht so viel bedeuten würde, hätte ich vor tausend Jahren alles hingeschmissen."

Freestyle-Snowboard ist wettkampforientiert

Für Olympia 2018 sieht es mittlerweile gar nicht schlecht aus. Mittermüller gewann in diesem Winter einen Europacup, sie wurde Achte und 14. im Weltcup, an diesem Wochenende wird sie beim olympischen Testevent in Korea vorstellig, dem dritten von vier Weltcups auf der Tournee des Weltverbands Fis. Der Wettbewerb dort ist hart, rund 50 Fahrer finden sich mittlerweile bei Slopestyle-Wettkämpfen ein. Die Freigeister von einst sind etwas gezähmt, Freestyle-Snowboarden wird heute gewissenhaft an Leistungszentren einstudiert, nicht allen in der Szene gefällt dieser Fokus auf Medaillen.

"Es war nicht immer so, dass am Berg überall Coaches rumstanden und viele Fahrer so verbissen waren", sagt Mittermüller: "Gleichzeitig war das Niveau noch nie so hoch. Irgendwo ist es notwendig, dass es ernster geworden ist, um da noch mitzuhalten und ganz zu bleiben."

So richtig wohl ist ihr dabei nicht, aber Mittermüller weiß, dass sie ihren Sport nicht nur für sich selbst betreibt. Nur mit einer Fahrerin, die Ergebnisse beschafft, wird ihr Sport gefördert. Und nur mit Fördergeldern können sie die jüngeren Freestyle-Übungen im deutschen Wintersport verankern. Ihre meisten Teamkolleginnen sind jünger als 20, sagt Mittermüller, es motiviere sie, "ein System zu schaffen, von dem die Jungen später profitieren können". Und ein wenig Mittermüller selbst. Auf ihre alten Tage.

© SZ vom 17.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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