Wintersport im Fernsehen:Selbstüberschätzung im Eiskanal

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Schlittenfahrer wollen mehr ins Fernsehen. So wie alle anderen Sportarten auch. (Foto: Reuters)

Alle wollen ins Fernsehen. Und träumen darf jeder. Auch die Kleinen. Nur die Realität sollten sie nicht aus den Augen verlieren. Wer wie die Interessengemeinschaft prominenter Schlittensportler zu laut nach Aufmerksamkeit schreit, muss damit rechnen, dass es peinlich wird.

Ein Kommentar von Thomas Hahn

Jeder kann an seinem Glück rumschmieden, wie er lustig ist. Jeder kann sich nach Belieben seinen Weg zur Erfüllung bahnen, ob dieser Weg nun auf den Nanga Parbat führt, in eine Wuppertaler Kleider-Boutique oder ins Fernsehen. In den Träumen ist jeder Schmarrn erlaubt. Rodeln zur Primetime, Aufnahme von Wok-Wettfahren ins Olympia-Programm - zu solchen Sachen wird auch eine SZ immer vornehm schweigen.

Schon deshalb, weil es ohnehin nichts bringt, jemandem was auszureden, der mal einen Plan gefasst hat. Gerade wenn es darum geht, ins Fernsehen zu kommen. Alle wollen doch ins Fernsehen. Erst recht alle Sportler. Seit Jahrzehnten machen Sportler alles mögliche, um ins Fernsehen zu kommen, sie trainieren, gewinnen, klopfen Sprüche, ziehen sich aus. Es war nicht immer schön. Die Kultur des Abendlandes hat gewackelt. Aber sie ist nicht gefallen. Insofern. Alles in Ordnung.

Und auch gegen diesen Brief ist im Grunde überhaupt nichts zu sagen. Eine Interessengemeinschaft prominenter Schlittensportler hat an ARD und ZDF geschrieben mit der Bitte, "Ihre Wintersportplanung ab dem kommenden Winter zu überdenken und den Eiskanalsportarten Rodeln, Bob und Skeleton mehr Sendezeit einzuräumen". Das ist ein ganz, ganz nachvollziehbarer Gedanke aus Sicht der Schlittenfahrer, die ja auch schauen müssen, wo sie bleiben.

Er erinnert ein bisschen an die jüngste Klage einzelner Sommersport-Vertreter über die fast geschichtsklitternde Dimension der hiesigen Wintersport-Übertragungen. Allerdings wirklich nur ein bisschen, denn die Sommersportler kommen ja tatsächlich kaum im Fernsehen. Die Schlittensportler kommen ganz oft im Fernsehen, in besagtem Mammut-Wintersport-Fernsehprogramm nämlich. Sie kommen nur nicht ganz so oft wie Biathlon und Skifahren. Das ist natürlich doof.

Aber das ist auch okay. Aus Sicht von Eiskunstlauf und Snowboarden kommen sogar viel zu viele Schlitten im Fernsehen. Womit natürlich gar nichts gegen den Brief gesagt sei. Das ist ein toller Brief. Der Brief sagt sinngemäß: Wir kommen die ganze Zeit im Fernsehen. Wir wollen noch mehr ins Fernsehen. Das ist durchaus ein Standpunkt für die Vertreter eines Sportwinzlings, die kaum über den Rand ihres Eiskanals rausschauen.

Das ist in Ordnung. Das ist dem zuständigen Verband BSD gerade etwas peinlich, weshalb sich der Generalsekretär Thomas Schwab distanziert hat. Und das ist ja auch peinlich, sehr peinlich sogar. Aber so denken sich diese Sportler halt ihren Weg ins Glück. Aus ihrem Brief können alle viel lernen. Vor allem wie blöd man sein kann.

© SZ vom 28.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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