Wimbledon:Leicht von der Vorhand

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Lächeln zum Auftakt: Sabine Lisicki nach ihrem 6:1, 6:3 gegen die US-Amerikanerin Shelby Rogers. (Foto: Ben Curtis/AP)

Sabine Lisicki hat sich rar gemacht, um sich wieder auf ihr Spiel zu konzentrieren. Nun eilt sie locker in Runde zwei.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Als Sabine Lisicki Court 18 um 11.30 Uhr betrat, musste man nicht sehr einfallsreich sein, um Assoziationen im Kopf gedeihen zu lassen. Die Sonne schien, auch wenn Wolken sich mühten, den ersten Tag dieser 130. Championships zu verdunkeln. Auf der Tribüne nahm die Entourage der deutschen Spielerin aus Troisdorf ihre Plätze ein, dazu zählte Bundestrainerin Barbara Rittner und ein durchaus sympathisch aussehender, aus dem Fernsehen bekannter Mann mit cooler Spiegelbrille. Alles war fast wie in den vergangenen Jahren, als Lisicki, die Finalistin von 2013, mit ihrem Tross das Turnier genoss, das sie so liebt, das für sie ein magischer Ort ist. Und doch war dieser Eindruck natürlich trügerisch. Martin Kaymer, um das klarzustellen, ist nicht der Nachfolger von Oliver Pocher. Der Golfprofi, auf Einladung eines Sponsors zu Besuch, nutzte nur die Gelegenheit, deutsche Sportkollegen zu unterstützen. Ob der 31-Jährige Zeuge des ersten Aktes einer Auferstehung wurde, muss sich wiederum erweisen. Aber Wimbledon und Lisicki, das ist zumindest eine Kombination, die sie selbst schlechte Gedanken vertreiben lässt. Irgendwie geht ihr hier vieles leichter von der Vor- und Rückhand.

Witthöft setzt sich überraschend gegen die Rumänin Begu durch

59 Minuten hat Lisicki nur für ihren 6:1, 6:3-Erstrundenerfolg gegen die Amerikanerin Shelby Rogers benötigt, die bei den French Open im Viertelfinale stand. Sie spielte solide, Rogers ist nicht die stärkste auf Rasen, 2015 unterlag sie Andrea Petkovic 0:6, 0:6. Lisickis Sieg ist nicht überzubewerten, ein bisschen ist dieses Wimbledon für sie eine Stunde Null. Sie hat sich nach Misserfolgen und privaten Turbulenzen neu aufgestellt. Pocher ist nicht mehr ihr Freund, Christopher Kas nicht mehr ihr Trainer, Sascha Rinne nicht mehr ihr Manager. Am Montag hat sie von einem "Prozess" geredet, in dem sie stecke. Der Spanier Salvador Navarro, Bruder der Top-Ten-Größe Carla Suárez-Navarro, begleitet sie als neuer Coach. Doch der erstaunlichste Wandel fand in ihr selbst statt.

Lisicki hatte sich zuletzt rar gemacht, eine bewusste Entscheidung. "Ich habe diese Zeit gebraucht, sonst kommen immer überall Reize", sprach sie; sie habe gar das Telefon ausgemacht und die Sozialen Medien ignoriert, sie wollte "abschalten, mich aufs Wesentliche konzentrieren". Unbewusst gab sie damit zu, dass sie sich wohl zu lange auf Unwesentlicheres konzentriert hatte, mit Pocher hatte sie ein Leben im Rampenlicht geführt. "Für mich war es wichtig, mich mal komplett rauszuziehen aus allem", sagt sie. Ob sie alleine zu dieser weisen Erkenntnis gelangt war, ließ sie offen, jedenfalls tat sie offenbar das Richtige, sie muss ja ihren sportlichen Fall in den Griff kriegen, der sie bis auf Rang 81 in der Weltrangliste abrutschen ließ. Die Arbeit unter dem Motto "back to basic" sei indes für sie "kein Problem". Es klang ehrlich.

In der zweiten Runde trifft sie auf die Australierin Samantha Stosur. Lisicki folgten weitere Deutsche; Carina Witthöft etwa siegte 6:1, 6:4 gegen Irina-Camelia Begu aus Rumänien, die an Nummer 25 gesetzt war. Anna-Lena Friedsam bezwang die Kasachin Sarina Dijas 6:4, 6:0. "Es hilft, an einen Ort zurückzukehren, an dem man Vertrauen spürt und viel Unterstützung hat", sagte Lisicki, gab aber auch zu: "Für was es reicht, weiß ich nicht." Ihre Ansprüche sind vorerst etwas kleiner.

© SZ vom 28.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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