Videobeweis:Ein Maulkorb und der nächste Vorwurf

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Entmachtung: Hellmut Krug verlässt die Schiedsrichter-Kommission, bleibt aber Chef des Video-Projekts. (Foto: Peter Schatz/imago)
  • Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und seine neue Ethikkommission haben Konsequenzen aus dem großen Schiedsrichter-Streit der vergangenen Wochen präsentiert.
  • Die Folge: kleine Degradierungen für die Schiedsrichter-Funktionäre Heribert Fandel und Hellmut Krug und ein Maulkorb für Gräfe.
  • Doch das Thema Schiedsrichter gärt weiter: Krug gerät vermehrt in die Kritik.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Auch Manuel Gräfe war am Wochenende wieder im Einsatz. Zu anderen Zeiten wäre er vielleicht ein Kandidat für die Leitung des Top-Spiels zwischen Borussia Dortmund und dem FC Bayern gewesen. Stattdessen: Magdeburg gegen Wehen, dritte Liga, drei gelbe Karten, Endstand 0:0. Alles sehr unspektakulär, und damit ganz anders als die anderen Vorgänge rund um Manuel Gräfe dieser Tage.

Am Freitagabend hatten der Deutsche Fußball-Bund (DFB) und seine neue Ethikkommission Konsequenzen aus dem großen Schiedsrichter-Streit der vergangenen Wochen präsentiert. Die Folge: kleine Degradierungen für die Schiedsrichter-Funktionäre Heribert Fandel und Hellmut Krug und ein Maulkorb für Gräfe. Doch befriedet ist die Situation damit entgegen der Hoffnungen im DFB keineswegs - und daran trägt auch der Verband Schuld. Denn wirklich aufgeklärt wurden die für den Streit ausschlaggebenden Vorwürfe nicht.

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Der Konflikt im deutschen Schiedsrichterwesen über die Amtsführung von Fandel und Krug dauert schon lange an. Aber nie kam er so in die Öffentlichkeit wie in diesem Sommer. Da attackierte Gräfe, einer der aktuell besten deutschen Referees, das Duo heftig im Berliner Tagesspiegel. Und seither herrscht Aufruhr um die deutsche Schiedsrichter-Abteilung. Mobbing und Machtmissbrauch, Vetternwirtschaft und Manipulation von Bewertungen, solche Vorwürfe stehen im Raum.

Aber was ist da dran? Fandel und Krug weisen alles zurück. Ansonsten will öffentlich kaum jemand darüber reden. Schweigen gehört in der Sportwelt generell dazu, im Schiedsrichterwesen besonders. Es lassen sich Unparteiische finden, die Fandel und Krug verteidigen. Es lassen sich aber auch Unparteiische finden, die Gräfe dankbar sind für dessen Worte und sie unterstützen. Und die sich nur deshalb nicht öffentlich äußern wollen, weil sie Konsequenzen fürchten. Schiedsrichter zu sein, ist längst ein einträglicher Beruf: Für die Besten gibt es ein Jahres-Fixum von 79 000 Euro, dazu 5000 Euro pro Erstligaspiel.

Aber in jedem Fall bemerkenswert war der interne Umgang des DFB mit dem Thema. Erst lud er für Mitte Oktober zu einem Gespräch: auf der einen Seite Fandel und Krug, auf der anderen Seite Gräfe sowie Felix Brych, Deutschlands Schiedsrichter Nummer eins, der Gräfes Anwürfe angeblich tendenziell untermauerte. Doch Konsequenzen zog der Verband nicht, stattdessen reichte er das heikle Thema an die Ethikkommission weiter, die es seit 2016 unter der Leitung des früheren Außenminister Klaus Kinkel, 80, gibt. Und die arbeitete in rekordverdächtigem Tempo.

Vor zwei Wochen erst bekam sie das Thema auf den Tisch. Durch die Blume soll der DFB signalisiert haben, dass es schnell gehen möge mit dem Urteil. Vergangenen Montag lud Kinkels Gremium die streitenden Parteien zu einem letzten Gespräch - in den Tagen danach übersandte er dem DFB schon seine Empfehlung, der der Verband am Freitag folgte. Fandel besucht nun keine Lehrgänge der Elite-Schiedsrichter mehr; Krug verlässt die Elite-Kommission, bleibt aber Chef des Videoassistenten-Projektes. Das können beide verschmerzen. Gräfe aber darf sich öffentlich nicht mehr unabgestimmt über Internes äußern, ansonsten darf er keine Bundesliga-Spiele mehr pfeifen. Als Video-Assistent kommt er auch nicht mehr zum Einsatz; so ist garantiert, dass sich Gräfe und Krug in der Kölner Zentrale, wo die Video-Assistenten und ihr Projektleiter an den Spieltagen sitzen, nicht treffen.

Der DFB kommt so umhin, klar Stellung zu beziehen zum Kern des Ganzen, also zu den inhaltlichen Vorwürfen der Top-Referees. Um ihnen richtig auf den Grund zu gehen, hätten sich die Ethiker viel mehr Zeit nehmen müssen; sie hätten mit allen Schiedsrichtern sprechen müssen, aber auch mit vielen früheren Beteiligten des Systems. Dafür hätte es wohl auch externe Experten und ein ordentliches Budget gebraucht. Doch dazu kam es nicht.

Dabei ist klar, dass das Thema Schiedsrichter weiter gärt. Video-Chef Krug gerät ohnehin vermehrt in die Kritik, weil er zuständig gemacht wird für das kommunikative Chaos zur Frage, wann und in welcher Form der Videobeweis zum Einsatz kommen soll. Nun berichtete die Bild am Sonntag von einer angeblichen Grenzüberschreitung in seiner Funktion als Video-Supervisor in der Kölner Zentrale. Bei der Partie zwischen Schalke und Wolfsburg (1:1) am zehnten Spieltag habe Krug den eigentlichen Video-Assistenten Marco Fritz bei Strafstoß-Entscheidungen zweimal zugunsten der Gastgeber überstimmt. Beide Entscheide waren strittig. Krug weist das zurück: "Wir sind als Supervisors nicht befugt, die Entscheidungen der Video-Assistenten zu beeinflussen oder sie gar zu überstimmen", sagte er. Bei beiden Szenen habe er nicht eingegriffen.

© SZ vom 06.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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