VfB Stuttgart:Willkommen im Ländle

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Trainer Hannes Wolf lernt seinen Klub kennen: Beim 0:5 in Dresden fängt er in sechs Minuten drei Gegentore.

Von Frieder Pfeiffer, Dresden/Stuttgart

"Das ist ein ganz bitterer Tag für den VfB", resümierte Hannes Wolf, bevor er nachschob: "Und für mich." Es sei dem jungen Trainer der Stuttgarter verziehen, dass er sich nach dem am Ende desolaten 0:5 bei Dynamo Dresden für die Branche unüblich von seinem Klub abkoppelte. Denn kurioserweise vervollständigte dieses sportliche Fiasko Wolfs Anfangszeit in der neuen Heimat, in der ihm der Verein für Bewegungsspiele auf schonungslose Art eine beeindruckende Demonstration dessen bot, was ihn in jüngster und auch nicht mehr so junger Vergangenheit ausgemacht hat: Die Bewegungen des Klubs auf der in beide Richtungen offenen Launenskala sind extrem. Daran ändert auch ein 35-jähriges Trainer-Talent so schnell nichts. Also erlebte der Neuling neben einem euphorischen Start, der im zweiten Spiel in einem 4:0 gegen Greuther Fürth gipfelte und zu einem gefeierten Auftritt der sportlichen Abteilung bei der Mitgliederversammlung in der vergangenen Woche führte, bei eben gerade dieser Gelegenheit auch die heftige Kritik am VfB-Aufsichtsrat und am umstrittenen neuen Präsidenten Wolfgang Dietrich.

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(Foto: Arno Burgi/dpa)

Die Galerie des VfB-Grauens beim Auftritt in Dresden. 38. Minute: 1:0 Stefan Kutschke.

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42. Minute: 2:0 Andreas Lambertz.

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44. Minute: 3:0 Akaki Gogia.

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74. Minute: 4:0 Akaki Gogia.

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76. Minute: 5:0 Pascal Testroet.

Und zum Abschluss folgte nun das Spiel in Dresden, an einem für Kapitän Christian Gentner "gebrauchten Tag", der die Vorstellungswochen des Vereins für seinen neuen Trainer abrundete.

Wolf bekam also eine Mannschaft präsentiert, die einem 4:0 ein 0:5 folgen lässt, was ihn zu folgender Schlussfolgerung führen könnte: Wenn der Funke überspringt, kann sie so richtig schön heiß laufen. Wenn sie jedoch Feuer fängt, brennt es schnell lichterloh. Gegen Fürth waren zwei sehr frühe Tore die gern genommenen Funken. Gegen Dresden täuschte die erste halbe Stunde, in der der VfB laut Wolf "im Spiel war, aber nicht gut", eine Sicherheit vor, die es nicht wirklich gab. Freilich hätte manches anders laufen können, hätte Carlos Mané in der 33. Minute einen schönen Konter zur VfB-Führung genutzt. Auch Wolf war wichtig zu ergänzen, dass "unser Plan heute beinahe aufgegangen wäre".

Die Galerie des VfB-Grauens beim Auftritt in Dresden. (Foto: Arno Burgi/dpa)

Aber natürlich wusste auch er, dass er nach einer derartigen Klatsche niemanden damit beruhigen kann, weshalb er dem Satz ein "so blöd es klingt" voranschickte. Direkter formulierte es sein Kapitän: "So wie wir bei den Gegentoren aufgetreten sind, geht das gar nicht", so Gentner. Dabei ging es vor allem um die sechs Minuten kurz vor der Pause, in der sich die Stuttgarter lieber mit ihrem humpelnden Rechtsverteidiger Florian Klein und einer möglichen Spielunterbrechung beschäftigten, als damit, das entstandene Loch rechts hinten zu stopfen. Von dort flankte Marvin Stefaniak auf Stefan Kutschke - 1:0. Weil der VfB laut Gentner im Anschluss "ungeordnet und ungeduldig" auf den Ausgleich drängte und weil VfB-Abräumer Matthias Zimmermann in Gedanken am eigenen Strafraum den Ball gegen Andreas Lambertz vertändelte, stand es nach 42 Minuten 2:0. Wie eine Defensive in kürzester Zeit in sich zusammenfallen kann, hatten die Stuttgarter vor einem Jahr schon unter Alexander Zorniger bewiesen, nun präsentierten sie die Zweitliga-Version mit leicht veränderter Besetzung. Noch vor der Pause fiel das 3:0 durch Akaki Gogia (44.); wiederum Gogia (74.) und Pascal Testroet (76.) erhöhten später in der zweiten Hälfte. Dresden jubelte nach drei Niederlagen, Stuttgarts gute Serie von zehn Punkten aus vier Spielen fand ein bitteres Ende.

Wolf sagt, es sei "essenziell, dass wir aus dem Geschehen lernen"

Jeder habe gesehen, dass es mit dieser Einstellung nicht gehe, sagte Sportchef Jan Schindelmeiser. Auch er entkoppelte Trainer und Team und forderte: "Jetzt sind die Spieler in der Pflicht." Diese Parolen hören sie im Schwabenland schon länger, und nun darf sich also Hoffnungsträgers Wolf daran versuchen, einem mental anfälligen Team Bodenhaftung zu verleihen. Denn auch diesen Charakterzug seines Teams hat Wolf jetzt kennengelernt: Kaum, dass es ihr vermeintlich etwas besser geht, neigt die Elf dazu, ein bisschen lässig zu werden. Es sei "essenziell, dass wir aus dem Geschehenen lernen", sagte Wolf später noch. Die Zeit des Kennenlernens ist vorbei.

© SZ vom 17.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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