US Open:Der Weg ist frei

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"Manchmal klappt es einfach nicht": Die Weltranglisten-Siebte Ivanovic verliert in der ersten Runde und ergänzt die Liste gescheiterter Favoritinnen. (Foto: John G. Mabanglo/dpa)

Neun der besten Spielerinnen sind in Runde eins gescheitert - auch Ana Ivanovic. Wer soll Serena Williams noch aufhalten?

Von Jürgen Schmieder, New York

Jimmy ist bestens gelaunt. Warum auch nicht - der junge Mann hat einen der schönsten Arbeitsplätze bei den US Open. Er steht den ganzen Tag lang mit Schildern und Klebstoff bewaffnet auf einer Leiter und aktualisiert die überdimensionalen Anzeigetafeln außerhalb des Louis-Armstrong-Stadions. Natürlich sieht das ein bisschen schrullig aus, wenn Jimmy da oben pfeifend herumwerkelt, es bietet dem Besucher kurz vor Mitternacht aber auch interessante Einblicke, was am Tag so passiert ist. Das Frauentableau ist auf zwei Tafeln verteilt, am Montag wurden alle Erstrunden-Partien der linken Hälfte absolviert - also jene, auf der ganz oben der Name Serena Williams vermerkt ist.

Jimmy brachte gewissenhaft all jene 32 Schilder der Teilnehmerinnen an der zweiten Runde an; viel bedeutsamer jedoch ist, welche Namen dort nicht mehr vermerkt sind: Ana Ivanovic, Karolina Pliskova, Carla Suárez Navarro, Jelena Jankovic, Sloane Stephens, Swetlana Kusnezowa. Rechnet man noch deren Landsfrau Maria Scharapowa hinzu, die wegen einer Fußverletzung abgesagt hatte, dann sind auf der Tableau-Seite von Serena Williams bereits sieben von 16 gesetzten Akteurinnen gescheitert. Und außer Williams steht dort keine weitere Top-Ten-Spielerin mehr.

(In der unteren Hälfte verabschiedeten sich am Dienstagmorgen sogleich Lucie Safarova, im Juni noch French-Open-Finalistin, sowie Timea Bacsinszky, die im Halbfinale des selben Turniers Serena Williams am Rande einer Niederlage hatte. Angelique Kerber immerhin meisterte ihre erste Aufgabe - gegen Alexandra Dulgheru - souverän und gewann 6:3, 6:1.

Und Andrea Petkovic triumphierte nach einem mitreißenden, zweieinhalbstündigen Match gegen die Französin Caroline Garcia 3:6, 6:4, 7:5.

) "Ich weiß auch nicht, wahrscheinlich war es einfach nur ein schlechter Tag", sagte Stephens nach dem Aus gegen Coco Vandeweghe: "Es hat heute einfach nicht sein sollen. Ich hatte ein paar gute Schläge, aber sie hatte bessere. Ich bin enttäuscht, aber das sind schließlich nicht die letzten US Open." Dann sprach sie noch über Sponsoren und das Design ihrer auffälligen Klamotten: "Ich bin da voll dabei, das ist wirklich intensiv." Schließlich erklärte sie, dass sie nicht so recht wisse, was sie aus dieser Niederlage würde lernen können.

Es ist ja eine Sache, eine Niederlage gelassen zu verarbeiten und nicht wegen einer schlechten Leistung die komplette Karriere anzuzweifeln. Aber die lapidare Reaktion von Stephens deutete zumindest darauf hin, dass ihr der Misserfolg nicht wirklich wehtat. Ähnlich reagierte Ivanovic, die am Morgen dieses Turnier eröffnet und gegen Dominika Cibulkova verloren hatte: "Ich habe mich in den vergangenen Wochen deutlich verbessert, aber manchmal klappt es einfach nicht." Und Pliskova sagte nach ihrer 2:6, 1:6-Blamage gegen die Qualifikantin Anna Tatishvili kurz: "Das war eben nicht mein Tag."

Williams glaubt, sie werde von ihren Gegnerinnen gehasst - da dürfte sie sich täuschen

Jetzt mal ehrlich: Sind das Spielerinnen, die verhindern sollten, dass Serena Williams in diesem Jahr alle vier Grand-Slam-Turniere gewinnt? Es gibt sogar Konkurrentinnen, die schon vor dem Turnier sagten, dass sie der Amerikanerin den Triumph gönnen würden. Die an Rang zwei gesetzte Simona Halep gab an: "Wenn ich ins Finale komme, dann will ich schon gewinnen. Aber wenn ich vorher ausscheide, dann will ich, dass sie gewinnt." Kann sich jemand vorstellen, dass Williams so was über eine Gegnerin sagt? Sie selber hatte einmal ihren Trainingspartner Sascha Bajin zusammengestaucht, weil der nicht gemein genug gegen sie gespielt hatte. Williams glaubte: "Diese Mädchen wollen die verdammte Hölle aus mir rausprügeln. Die hassen mich!"

Natürlich gibt es überraschende Niederlagen bei einem Turnier, bei den Männern etwa ist am Montag Kei Nishikori, der im vergangenen Jahr noch das Finale erreicht hatte, gegen Benoît Paire gescheitert. Und natürlich könnte man all die Überraschungen als Indiz für die Ausgeglichenheit im Frauentennis werten, wenn selbst gesetzte Spielerinnen einfach mal vom Platz gefegt werden wie Suárez Navarro von Denisa Allertova, der Nummer 77 der Welt.

Jede kann jede schlagen - diese Lesart klingt interessant, ist aber falsch. Ja, es gibt bei diesen US Open ein Feld aus 127 Frauen, das ganz offensichtlich sehr ausgeglichen ist. Die 128. Frau allerdings, die ist offenkundig unantastbar; es scheint so, als würde niemand die verdammte Hölle aus Serena Williams rausprügeln wollen. Die steht seit mehr als 130 Wochen auf Platz eins der Rangliste und kann frühestens im Achtelfinale wieder auf eine andere gesetzte Spielerin treffen. "Ganz ehrlich: Ich kümmere mich nicht besonders um die Auslosung oder die Ergebnisse, sondern immer nur um die nächste Gegnerin", sagte Williams. Das wird am Mittwoch die Qualifikantin Kiki Bertens sein.

Die Anderen, so scheint es, sie wollen doch gar nicht gegen Serena Williams gewinnen. Nein, es ist noch viel schlimmer: Erstrunden-Gegnerin Witalija Djatschenko wollte noch nicht einmal gegen sie spielen. Sie kam für exakt 30 Minuten ins Arthur-Ashe-Stadion, gewann insgesamt fünf Punkte und beendete die groteske Vorstellung beim Stand von 0:6, 0:2 aufgrund einer Verletzung. Serena Williams stand zunächst verdutzt auf dem Platz, dann spielte sie den Zuschauern ein paar Bälle zu, weshalb sie dann doch ein klein wenig schwitzte und sich umziehen musste.

Serena Williams ist wie Stephens auch nebenberuflich Modedesignerin, doch statt greller Farben präsentierte sie auf dem Nachhauseweg den noch vorhandenen Konkurrentinnen eine eindeutige Botschaft. Nein, es war kein Foto von Jimmys Anzeigetafel. Als Williams die Umkleidekabine verließ, trug sie ein T-Shirt mit der Aufschrift: "Go like Hell". Streng' dich verdammt noch mal an!

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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