Ungewöhnliches Urteil im Boxen:Vorbildlich für den gesamten Sport

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Wer sechsmal am Boden liegt, darf nicht zum Sieger erklärt werden: Die Entscheidung des Boxverbands AIBA, das umstrittene Urteil eines Kampfrichters im Duell zwischen einem Japaner und einem Aserbaidschaner aufzuheben, ist ungewöhnlich - aber richtig. Das Urteil könnte den Sport gerechter machen.

Jürgen Schmieder

Es gibt nur wenige Berufe, die sich noch größerer Unbeliebtheit erfreuen als der des Punktrichters beim Boxen. Selbst Investmentbanker, Gebrauchtwagenhändler und Fifa-Präsidenten gelten im Vergleich zu den Männern am Ring als seriöse, vertrauenswürdige und unbestechliche Menschen. Warum das so ist, war bei den Olympischen Spielen in London zu beobachten: Da kämpfte Satoshi Shimizu im Bantamgewicht gegen den Aserbaidschaner Magomed Abdulhamidow.

Ungewöhnliches Urteil: Magomed Abdulhamidow (rechts) kämpft gegen Satoshi Shimizu. (Foto: AP)

Der Japaner war zunächst unterlegen und musste zweimal zu Boden. In der dritten Runde jedoch schickte dann Shimizu seinen Gegner gleich sechsmal in den Staub. Abdulhamidow konnte den Ring nur mit Hilfe seines Trainers verlassen - und wurde von den Punktrichtern dennoch mit 22:17 zum Sieger erklärt. Shimizu protestierte, erst heftig im Ring und später ganz offiziell. Doch gewöhnlich werden im Sport derlei Beschwerden abgetan mit dem Hinweis, dass es sich bei solchen Urteilen um eine Tatsachenentscheidung handele und deshalb nichts zu machen sei.

Nicht in diesem Fall: Die Verantwortlichen des Amateurbox-Weltverbands AIBA sahen sich den Kampf aus allen möglichen Blickwinkeln auf Video an, sie besprachen sich - und erklärten Shimizu nachträglich zum Sieger. "Der Schiedsrichter hätte den Kampf entsprechend der Regeln des Verbandes stoppen müssen", war in der Erklärung zu lesen. Der Weltverband schickte Ringrichter Ischanguly Meretnyjasow (Turkmenistan) und den technischen Offiziellen Aghajan Abijew (Aserbaidschan) sofort nach Hause. Der deutsche Ringrichter eines weiteren umstrittenen Kampfes bekam eine Denkpause verordnet.

Es ist ein ungewöhnliches, weil gerechtes Urteil. Es taugt zum Vorbild für den gesamten Boxsport - nein, es taugt zum Vorbild für den Sport überhaupt. Die AIBA hat sich nicht mit dem Unwort Tatsachenentscheidung aus der Verantwortung gestohlen, sie hat sämtliche technische Mittel genutzt, die bei den Olympischen Spielen zur Verfügung stehen, und sie hat die Verantwortlichen sofort sanktioniert, anstatt die in der Sportpolitik beliebte Verzögerungstaktik zu wählen.

Es ist eine Entscheidung, die - so sie die Verantwortlichen anderer Disziplinen zum Vorbild nehmen - den Sport gerechter machen könnte. Dass es das Boxen ist, wo Begriffe wie Fairness, Gerechtigkeit und Sportsgeist gewöhnlich am Halleneingang abgegeben werden müssen, dass diese Sportart nun bei Olympia mit einer derart revolutionären Entscheidung daherkommt, entbehrt natürlich nicht einer gewissen Ironie.

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